Wie bitte? Ein Neujahrskonzert im Herbst — Zu Besuch in der Villa Seligmann

Neujahrskonzert
© Photographie_Manfred_Zimmermann_EMH

Es war ein verregneter Abend, dieser 16.10.2017, als ich der Einladung von Prof. Andor Izsák zum Neujahrskonzert in die Villa Seligmann in Hannover folgte. Moment mal – Neujahr im Oktober? Eingeweihte verstehen sofort, hier ist vom jüdischen Neujahr – Rosch ha-Schana – die Rede.

In der Empfangshalle erwartet mich Prof. Izsák mit einem „Schana tova“. „Das wünschen wir uns zum Neujahr und heißt so viel wie ‚Ein gutes Jahr‘“, erklärt der Initiator und künstlerische Leiter der Villa. Nach dem jüdischen Kalender schreiben wir das Jahr 5778. Rasch füllt sich die Halle und allenthalben höre ich die freundliche Begrüßung unseres Gastgebers „Schana tova“. Man kennt sich, begrüßt sich herzlich und stellt sich gegenseitig vor. Schnell bilden sich interessante Gesprächsrunden, bevor der offizielle Teil mit dem Neujahrskonzert beginnt.

Neujahrskonzert
Prof. Andor Izsák in „seiner” Villa Seligmann / © Marcel Domeier

Überraschende Erkenntnisse zum Neujahrskonzert

Im Programmheft ist dieser Teil der Veranstaltung mit „Eröffnung der Herbsttage der jüdischen Musik 2017“ betitelt. In gewohnt launiger, informativer Moderation begleitet Prof. Izsák durch das Programm. Ganz liebenswerter Dozent unterhält und (be)lehrt er seine „Studenten“. Es gab u.a. Werke von Jacques Offenbach, Moritz Moszkowski, Issac Albéniz und Johann Strauß Sohn zu hören. Jüdische Musik mit Werken von Offenbach und Strauß? Ja, sie waren Juden, konnten die dazulernen, die es nicht wussten. Ich habe gelernt!

Ein besonderes Klangerlebnis

Wer war geeigneter als Frau Prof. Erika Lux, den musikalischen Teil des Abends an „Ihrem“ Instrument, dem Klavier, zu gestalten. Erika Lux trat bereits als zwölfjährige mit Mozarts Klavierkonzert auf. Konzerte mit Peter Schreier, etlichen Philharmonie-Orchestern u.a. unter Leitung des legendären Lord Yhudi Menuhin. Die Bandbreite ihrer Einspielungen beinhaltet Werke von Brahms, List, Ravel über Lewandowski bis Debussy, um nur einige zu nennen. Das heutige Spiel in der Villa Seligmann hat Erika Lux ganz dem jüdischen Neujahr gewidmet.

In diesen Räumlichkeiten, ganz ohne technischen Schnickschnack — die Aufmerksamkeit des Zuhörers ausschließlich auf das Instrument und die Spielweise der Interpretin gerichtet — erhielten die zumeist bekannten Stücke ein ganz besonderes, intimes Klangbild. Die Virtuosität einer Erika Lux kam in den Stücken von Mario Castelnuovo-Tedesco erst richtig zur Geltung. Ob es der melodische, langsam träumende Anschlag oder aber das heftig drängende, schnelle, wie Fanfaren klingende Finale dieser Darbietung ist: Hier spiegelt sich die ganze Bandbreite dieser Künstlerin am Klavier wieder.

Der Kaiser-Walzer mal anders

Selbst der Strauß’sche Kaiser-Walzer, zigmal gehört und alljährliches Pflichtprogramm der Wiener Philharmoniker beim Neujahrskonzert, hat in der Soloversion, eine ganz andere Dynamik erfahren.
„Das ist die Freiheit einer Solistin, wenn sie in kleinem Rahmen die Stücke ein wenig variieren kann“, erklärte mir Frau Lux im anschließenden Gespräch.

Nachdem wir der großartigen Erika Lux noch die ein oder andere Zugabe entlocken konnten, bat der Hausherr zum Sektempfang mit den traditionellen, zum Neujahr gereichten und in Honig getauchten Apfelspalten. Wer mochte oder die Räumlichkeiten noch nicht kannte, den führte Andor Izsák in seine ganz persönliche Welt der Villa Seligmann. Unter anderem ist hier das Porträt des Namenspatrons, Siegmund Seligmann – 1910 gemalt von keinem Geringeren als Max Liebermann — ausgestellt.

Dohány-Orgel

Neujahrskonzert
Die original Budapester Dohány-Orgel. / © Manfred Zimmermann/EMH

Von der ganzen Herrlichkeit der Villa Seligmann hat mich das Herrenzimmer am meisten beeindruckt. Und das lag nicht zuletzt an meiner ganz persönlichen Entdeckung in diesem Raum. Wer, so wie ich, die außerordentlich lesenswerte Biographie unseres Gastgebers„Andor der Spielmann – Ein jüdisches Musikerleben“ gelesen hat, kennt die herausragende Bedeutung der Dohány-Orgel für Andor Izsák. Um eben auf dieser Orgel aus der Budapester Dohány-Synagoge spielen zu dürfen, hat der junge Andor viele Unannehmlichkeiten auf sich nehmen müssen. Und jetzt finde ich hier, in dem Herrenzimmer der Villa Seligmann, das Original dieser Orgel. Nicht ohne Stolz erklärt der „Spielmann“: „Es ist mir tatsächlich gelungen, die original Budapester Dohány-Orgel nach Hannover zu holen. In der heutigen Budapester Synagoge steht eine Replik davon.“

Was für ein überwältigendes Gefühl!

Bleibt abschließend noch zu erwähnen: Ich durfte einen Abend erleben, der auf ganz besondere Weise die Sinne beseelt hat. Da war die begeisternde Spielweise der Erika Lux, die einfühlsamen und lehrreichen Erzählungen unseres Gastgebers, Prof. Andor Izsák, und nicht zuletzt der Charme der Villa Seligmann.

Sowohl die Personen als auch die Villa sind an meinem ersten Besuchstag deutlich zu kurz gekommen. Auch wenn in der Biographie über Andor Izsák und seiner Ehefrau Erika Lux sehr behutsam die persönlichen Lebenswege und der Geist jener Zeit beschrieben wurde, so haben mich die persönlichen Gespräche mit diesen beiden sympathischen Menschen mehr als beeindruckt und neugierig auf mehr gemacht. Und die Villa Seligmann lockt förmlich nach weiteren Besuchen.

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