Anfang September veröffentlichte Thilo Sarrazin sein neues Buch. Feindliche Übernahme bietet im Grunde wenig Neues von ihm: Vermeintliche wissenschaftliche Hintergründe zu rassistischen Vorurteilen. Aber dem politischen Zeitgeist entsprechend verkauft es sich wie geschnitten Brot: Das Sarrazin Buch hält sich tapfer in den Bestseller-Listen.

Nein, ich habe das Buch nicht gelesen — und erlaube mir trotzdem ein Urteil darüber. Ich muss mir auch kein neues Album von Helene Fischer anhören, um definitiv zu wissen, dass es nichts für mich ist. Interpret und Thema reichen gemeinhin für so eine Einschätzung. Man könnte mir auch sonst wie fundiert die fachlichen Qualitäten der Songs jener Schlager-Elfe darlegen, ohne dass dies einen Effekt auf meine Bewertung hätte. Und diesbezüglich, da bin ich mir sicher, würden sich immer noch überzeugendere Argumentationsketten ergeben als bei Sarrazins Thesen.

Von seinen früheren Werken (die ich natürlich auch nicht gelesen habe) und auch vom generellen Gebahren des Autors weiß ich mehr als genug, als dass man von Feindliche Übernahme etwas irgendwie positiv Geartetes erwarten könnte. Es geht mir dabei wohlgemerkt gar nicht darum, ob gewisse Aspekte, denen er sich widmet, es nicht wert sind, kritisch beleuchtet oder hinterfragt zu werden — denn das ist sicher der Fall. Aber wenn es letztlich auf rassentheoretische Verallgemeinerungstendenzen hinausläuft, bin ich raus.

Sarrazin Buch als Bestseller? Warum?

Viele Mitmenschen sehen das scheinbar anders: Eine Woche nach seiner Veröffentlichung stand das Buch auf Platz eins der Bestseller-Listen. Und auch jetzt, rund zwei Monate später, findet es sich immer noch auf Platz fünf. Es ist der verstörende populistische politische Zeitgeist, der sich in so vielen Aspekten und mittlerweile so vielen Ländern breitmacht, der solchen Schreibereien eine so große Bühne ermöglicht. Auf eine bizarre Art und Weise ist es auch beruhigend: Dementsprechend ist es wohl nicht die argumentative Überzeugungskraft von Sarrazins Worten, die ihn so erfolgreich macht. Aber am Ende ist es dann doch wieder umso beunruhigender, dass sie so gut in unsere Zeit zu passen scheinen.

Das immerhin muss man Thilo Sarrazin lassen: Er springt nicht einfach so auf den Rechtspopulistenzug auf: Das erste derartige Sarrazin Buch Deutschland schafft sich ab erschien 2010 — also rund fünf Jahre vor der Flüchtlingskrise, die besagten Zug erst so richtig ins Rollen brachte. So war er eher einer der ursprünglichen Stichwortgeber für all die AfD- und CSU-Hetzereien, die bar jeglicher Vernunft und Differenzierung den politischen Alltag deutlich mehr prägen, als es in irgendeiner Weise gut sein kann — ungeachtet dessen, wie man zum Thema Migration steht. Es bleibt also nur die Hoffnung, dass auch einige Leute dieses Feindliche Übernahme gekauft haben, um sich explizit kritisch damit auseinanderzusetzen. Einzig fehlt mir der Glaube daran, dass so viele Menschen jemandem, mit dem sie absolut nichts anfangen können, auf diese Weise Geld zuschanzen. Daran, dass Frau Fischer irgendwann mal Musik schafft, die mich in irgendeiner Weise positiv berühren kann, glaube ich ja schließlich auch nicht.

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