Seit dem 1. August läuft das Wacken Open Air offiziell — und allein die Berichterstattung im Vorfeld zeigt, dass das weltgrößte Metal-Festival nicht mehr das ist, wofür es in den Kultstatus erhoben wurde, sondern sich dieser Hype längst zu einer Karikatur seiner selbst verselbstständigt hat.

Wenn ich nicht sowieso gewusst hätte, dass das erste Augustwochenende der klassische Wacken-Termin ist — ich hätte es frühzeitig erfahren. Ohne danach zu suchen: Spiegel Online, NDR, Bild und eigentlich alle anderen Medien, die in Sachen aufmerksamkeitsgenerierende Schlagzeilen was auf sich halten, nehmen den Zirkus Jahr für Jahr gerne mit. Das ist nicht neu, genauso wenig wie die Tatsache, dass ich den Überblick über all die Bühnen und Zelte und sonstige Locations auf dem Festivalgelände selbst längst verloren habe. Was zum einen daran liegt, dass mich das meiste davon nicht interessiert (Stichwort „Gaming Village”, neu in diesem Jahr) und zum anderen daran, dass ich letztes Mal 2014 vor Ort war. Und selbst da schon nur noch aus beruflichen Gründen.

„In Wacken wird gern Slayaaaaa gerufen” – WTF?!

Insbesondere die „Wir verwursten jeden Quark, damit Omma und Oppa was zu tuscheln haben”-Koryphäen von der Bild haben sich dieses Mal besonders ins Zeug gelegt: Neben den üblichen Meldungen gab es dort unter anderem einen „Wacken für Anfänger”-Guide (Zitat: „In Wacken […] wird auch gern „Slayaaaaaaa“ gerufen. Vielleicht haben Sie das schon mal gehört. Falls Sie die Thrash-Metal-Institution nicht kennen: Das klingt wie Metallica.”) und einen ausgiebigen Bericht über ein Altersheim (zu sehen auf dem Aufmacherbild dieses Artikels), das zum sechsten Mal einen Ausflug zum Wacken Open Air macht (Zitat: „Die Vorfreude im Bus lässt sich förmlich greifen. Einmal sei ihnen sogar Bier reingereicht worden, erzählen die Senioren.”). Dagegen mutet der NDR-Livebericht, in dem die selbstredend maximal szenefremde Reporterin bewundernd feststellt, von den vielen schon angereisten Fans würde keiner torkeln oder betrunken auf dem Boden liegen. Herrje. Sollte Journalismus nicht auch in dieser eingedampften Form den Anspruch haben, ein halbwegs realistisches Bild zu vermitteln?

Natürlich ist es schön und erwähnenswert, dass die achso finsteren Gestalten das kleine Dorf im hohen Norden nicht in Schutt und Asche legen, sondern sich auch Außenstehende an ihrer Friedfertigkeit erfreuen. Aber was mittlerweile in der Darstellung des Festivals abgeht, läuft eher darauf hinaus, dass die Wacken-Besucher als lustige Freakshow vermarktet werden, bei der es für jeden was zu gucken gibt und vor der niemand Angst haben muss. Dass das Wacken Open Air selbst mit seinem immer weitere Kreise ziehenden Zirkus-Charakter selbst einen hohen Anteil daran hat, steht außer Frage. Im Gegegsatz dazu, welcher Faktor nun welchen hervorgerufen hat.

Der Kult um das Wacken Open Air hat sich substanzlos verselbstständigt

Seinen unbestrittenen Kultstatus hat das W:O:A aber nunmal nicht durch Gaming-Villages, Schlamm-Catchen oder Einkaufszentren (die Supermarktkette Kaufland hat auch der Homepage des Festivals neuerdings eine eigene Unterseite) erlangt. Sondern dadurch, dass sich hier Jahr für Jahr Zehntausende versammelt haben, um eine Musik und eine Szene zu feiern und zu leben, die — neben der Tatsache, dass die Musik selbst einen äußerst hohen Stellenwert hat(te) — ihren Reiz dadurch bezog, dass alle anderen sich kopfschüttelnd abgewendet haben oder gleich schreiend davongelaufen sind. Mag sein, dass ein großer Teil der Zielgruppe einfach in ein Alter gekommen ist, in dem andere Aspekte verlockender sind. Mag sein, dass dies ein Ausdruck dessen ist, dass finstere Musik von finsteren Typen und Typinnen für finstere Typen und Typinnen in einer Welt, deren eigene Finsternis dank der heutigen Medienlandschaft präsenter ist denn je, einfach nicht mehr taugt, um sich abzugrenzen. Oder es mag sein, dass das Event von der Szene für die Szene durch die anderen beiden Faktoren einfach seine kommerziellen Möglichkeiten gnadenlos ausschöpft.

Bleibt nur zu hoffen, dass es am Ende des Tages doch noch irgendwo um die Musik geht und diese bei denen, die sich vor die Bühne wagen, die Sinne ausreichend vereinnahmt, um den ganzen anderen Zinnober auszublenden. Wie gut das auch noch beim Wacken Open Air klappen kann, kann man sich bei Youtube zur Genüge vor Augen führen, ohne sich mit Rentner-Gangs, Wacken-Anfängern und planlosen Reporterinnen umgeben zu müssen:

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