Gleich zu Beginn muss ich meine Befindlichkeit in den Vordergrund stellen. Sie ist die treibende Kraft für diesen Text. Mir geht es nicht darum journalistisch, wie der Spiegel oder andere Nachrichtenplattformen, zu berichten. Mir geht es um die Emotionalität und Empathie, die mir in diesen schweren Zeiten aus meiner Umgebung fehlen. Einer Umgebung, die ich als gebildet und freundlich beschreiben würde.

Schon länger wollte ich mich zu diesem Thema äußern, ich habe jedoch immer wieder meine Befindlichkeit überprüft. Ich wollte nicht einer Sache mehr Raum geben, die ausschließlich bei mir solche Reaktionen auslöst. In den letzten Tagen aber, habe ich vermehrt ähnliche Stimme aus dem Netz vermerkt und ist es soweit: Ich präsentiere euch 11 Sätze, die ich wirklich nicht mehr hören kann.

Meine Mutter leidet an einer Autoimmun-Erkrankung und ist pflegebedürftig. Sie war letztes Jahr „nur” wegen eines viralen Infektes vier Wochen lang im Krankenhaus. Letztes Jahr um dieselbe Zeit haben wir wieder den berühmten Fachkräfte-Mangel am eigenen Leib erfahren müssen. Ihre behandelnde Ärztin war eine junge Frau aus Kasachstan, die nicht gut Deutsch sprach. An sich kein Problem, aber es fehlten drei weitere Stations-Ärzte, die uns über den kritischen Zustand unserer Mutter hätten aufklären können. Grund des Fehlens: Krankheit. Zu unserem Glück hat sie es relativ gut überstanden und wir haben danach noch stärker Hygiene-Vorschriften im Umgang mit unserer Mutter berücksichtigt. Sie zu schützen heißt auch, dass wir uns selber schützen müssen, schließlich geht es um unsere Mutter und nicht um eine minimal, ausdruckslose Fallzahl einer Statistik.

Als vor zwei Wochen der erste deutsche Corona-Fall bestätigt worden ist, war für mich klar, dass ich niemandem mehr die Hand gebe oder umarme, wenn es sich vermeiden lässt. Was für mich logisch war, war leider für viele Menschen eine Fläche für leichtfertige und teilweise rücksichtslose Sprüche. Ich fühlte mich wie in einem der düsteren Romane von Thomas Bernhard. Bei „Wittgensteins Neffe” schreibt er: „Die Kranken verstehen die Gesunden nicht, wie umgekehrt die Gesunden nicht die Kranken und dieser Konflikt ist sehr oft ein tödlicher”.

Noch nie habe ich so deutlich diese Worte verstanden wie jetzt. Das Coronavirus ist nämlich keine Meinung, es ist ein gefährlicher Zustand, der uns als Menschen auf eine noch nie gesehene Art und Weise herausfordert. Natürlich gab es schon in der Geschichte der Menschheit einige Pandemien/Epidemien. Aber keiner von uns jetzt Lebenden hat diese wirklich erlebt und keine davon war das Coronavirus. Alle unsere Einschätzungen und Vermutung kommen von Experten, die jedoch das Ganze Geschehen auch zum ersten Mal erleben. Jetzige herangezogene Erfahrungswerte sind häufig alte Statistiken, die auch nur eine begrenzte Gültigkeit haben. Eine Wahrheit ist jedoch klar:

Coronavirus: Wir verbreiten gefährliches Halbwissen

Der Wunsch nach Sicherheit ist bei vielen groß. Das Ausbleiben jedoch löst viele unterschiedliche Reaktionen aus. Vielleicht sind Hamsterkäufe Übersprungshandlungen, genau wie dumme Sprüche. Aber die Realität ist nun mal, dass es keine absolute Sicherheit gibt. Und auch hier eine wichtige Wahrheit: Die absolute Sicherheit gab es noch nie. Der Mensch folgt einem Irrglauben, dass dieser Zustand der absoluten Sicherheit ein fester Teil der Natur wäre. Es wird in der westlichen Welt im täglichem Leben gefordert und vorausgesetzt. Es herrscht eine Erwartungshaltung, dass es eine Garantie zur Geburt gäbe. Leider spürt jetzt die ganze Welt, das dem nicht so ist.

Mein Appell an alle ist definitiv ruhig zu bleiben und keiner Panik zu verfallen. Jeder darf diese spürbare Schwere auch mit einer gesunden Leichtigkeit anfassen, ich habe nichts gegen einen guten Witz, aber es sollte dennoch gut durchdacht sein, was man an seine eigene Umgebung kommuniziert.

Unsere Form der Kommunikation ist enorm wichtig, um eben Menschen, die bedroht sind oder gar betroffen, Empathie und Mitgefühl auszudrücken. Alte Menschen, autoimmun-erkrankte Menschen, Menschen mit Jobs im Gesundheitswesen, … die Liste ist lang und alle brauchen jetzt gute und starke Unterstützung von außen.

Hier also 11 Coronavirus Sätze, die Ihr bitte nicht sagen sollt:

1

„Bei der normalen Influenza sterben jährlich mehr Menschen”

Das Robert-Koch-Institut erfasst jährlich solche Statistiken, aber diese Fallzahlen sind tatsächlich Schätzungen, die hochgerechnet werden aus Influenza-Registrierungen in Arztpraxen und Krankenhäusern. Wenn beispielsweise ein Krebspatient im Endstadium noch zusätzlich einen grippalen Infekt hat, dann fällt das in die Schätzung rein. Die ärztlich bescheinigten Todesfälle durch Influenza zwischen 2010 und 2013 lagen bei 24–198 pro Saison.

Es wurde jetzt schon bewiesen, dass Corona ansteckender ist als der Grippe-Virus und die Mortalität der Corona-Infizierten zehn mal so hoch ist.

2

„Es betrifft ja eh nur alte und immunschwache Menschen”

Der Spiegel schreibt: „Als Vorerkrankungen gelten unter anderem Bluthochdruck, Diabetes, Herzkreislauferkrankungen, chronische Atemwegserkrankungen und Krebs. Noch einige Zahlen: 45 Prozent der Menschen in Deutschland sind 50 Jahre alt oder älter. 6,5 Prozent sind mindestens 80 Jahre alt, das sind rund 5,4 Millionen Menschen.”

Die eigene Immunität als Ausrede für eine mögliche Ansteckung zu nehmen, entzieht einem nicht die Verantwortung gegenüber diesen 5 Millionen Menschen in Deutschland.

3

„Echt?! Nur wegen Corona?”

Vor zwei Wochen musste ich so oft meine Vorsichtsmaßnahmen erklären und fühlte mich trotzdem wie ein Spielverderber. Es fehlten vielen Menschen der Weitblick. Jetzt, wo über 1.000 Fälle in Deutschland bekannt sind, haben sich die Reaktionen auf mein „Ich gebe dir nicht die Hand” drastisch verändert.

4

„Hab mir schon die Hände desinfiziert, das reicht.”

Jain. Desinfizieren neutralisiert nur die Bakterien und Viren. Erst ausgiebiges Händewaschen entfernt den Großteil aller Keime. Außerdem sind die meisten Drogerie-Produkte nicht wirkungsvoll genug.

5

„60–70 Prozent der Menschen kriegen es eh”

Nur weil eine Gruppe von Virologen das vorhersagt, heißt es nicht, dass es eintrifft. Wenn wir nur die geringste Chance haben diese Zahl zu beeinflussen, dann sollten wir es auch tun. Wir wissen nämlich gar nichts über die Konsequenzen dieser Epidemie.

n‑TV schreibt: „Diese 60 bis 70 Prozent ist eigentlich nur eine Zahl, die sagt, wann die Pandemie vorbei ist”, erklärte der Experte da, der auch die Bundesregierung berät. Eine entscheidende Rolle spielt dabei die Annahme, dass jeder Infizierte nach der Genesung immun gegen das Virus ist. Wenn es genug Immune gibt, kann das Virus sich irgendwann kaum noch verbreiten. Die Pandemie werde dann durch einen „Mangel an Übertragungsmöglichkeiten” gestoppt, so Drosten.”

Wieder mal merkt man, dass es keine gesicherte und ausreichende Beweisgrundlage gibt für eine finale Aussage.

6

„Wenn man es mal hatte, ist man immun”

Stimmt nicht. Wir können es noch nicht sagen. Wir wissen viel zu wenig über die Antikörper, die infizierte Corona-Patienten bilden, wenn sie genesen. Auch Sätze wie „Ich hatte dieses Jahr schon die Grippe” machen einen nicht immun vor anderen Infekten. Ganz im Gegenteil. Wenn man keine ausführlichen Labor-Untersuchungen über seinen Körper vorliegen hat, kann man die eigene Immunität gegenüber so einem Virus nicht ansatzweise einschätzen.

7

„Die Medien machen nur Panik, ich habe keine Angst”

Alles aus dem Medien nachplappern, aber auch gleichzeitig seine Wissens-Ressource zu verfluchen ist ein sehr ambivalentes Verhalten. Durch die Medien erfahren wir unmittelbar, welche Vorsichtsmaßnahmen ergriffen werden und wie der Stand der Dinge ist. Diese Transparenz ist in vielen Bereichen sehr hilfreich. Wer die Medien für die eigene Reaktion verantwortlich machen will, der will auch wahrscheinlich vielen anderen die Schuld geben.

Es liegt an einem selbst, seine Quellen zu filtern und zu entscheiden, wie man darauf reagieren möchte.

8

„Ich hab keine Lust auf Home Office”

Mehr Erste-Welt-Probleme geht nicht, oder? Bitte seid doch froh und dankbar, dass ihr weiterhin Geld verdienen könnt, wenn ihr von Zuhause aus arbeiten könnt. Sehr viele Berufe, wie z.B. Künstler und Veranstalter, erleiden gerade viel größere finanzielle Verluste und müssen durch eine existenzielle Krise. Auch ich habe jetzt schon einen Verlust in 4‑stelliger Höhe.

9

„Das sind Horrorszenarien, wenn alles abgesagt wird… total übertrieben”

Das sind keine Horrorszenarien, wenn Leute übertrieben viel Klopapier kaufen und zuhause bleiben. Horror sieht ganz anders aus. Der wirtschaftliche Einbruch wird fast alle Menschen in irgendeiner Art und Weise betreffen. Aber wenn wir die Ausbreitung verlangsamen können und sogar damit viele Menschen vor einer möglichen Ansteckung bewahren, haben wir es geschafft echte Horrorszenarien (ganz besonders im Gesundheitswesen) zu vermeiden.

10

„Keine Sorge, ich hab das schon nicht”

Sorry, das weißt du leider überhaupt nicht. Zumal die Inkubationszeit auch gerne mal länger als 2–3 Tage dauert. Du kannst Träger vom Virus sein und es einfach nicht mitkriegen. Entweder weil die Symptome so schwach sind oder weil das Virus noch nicht aktiv ist oder auch ganz häufig der Fall: Du ignorierst unbewusst alle Signale deines Körpers. Nicht selten denken Menschen es sei der Raucher-Husten oder eine Allergie oder der ‘ziemlich normale Zustand’.

11

„Schutzmasken bringen gar nichts”

Jain. Schutzmasken können uns nur für kurze Zeit vor dem Virus schützen. Aber vor allem können wir zwei Dinge mit den Schutzmasken zusätzlich erreichen: 1. Falls wir selber krank sind, vermeiden wir die Ansteckung von gesunden Menschen 2. Es hindert uns daran, uns an die Nase oder an den Mund zu fassen und somit uns schneller anzustecken.

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