Musik hat seit jeher eine starke politische Kraft. Sie kann Menschen vereinen, Debatten anregen und zum Nachdenken über wichtige gesellschaftliche Fragen anregen. Der Eurovision Song Contest 2023 in Liverpool ist ein herausragendes Beispiel dafür, wie Musik als Ausdrucksform genutzt werden kann, um politische Themen aufzugreifen und den Dialog zu fördern. Doch wie politisch darf Musik im Rahmen eines solchen internationalen Wettbewerbs sein? Spätestens die Absage an den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, per Videobotschaft während des Events zugeschaltet zu werden, hat eine neue Diskussion entfacht.
Die Geschichte des Eurovision Song Contests und politische Botschaften
Seit seiner Gründung im Jahr 1956 hat der Eurovision Song Contest (ESC) unzählige politische Botschaften vermittelt. In Zeiten des Kalten Krieges diente er als Plattform für den kulturellen Austausch zwischen Ost und West, während in den 1970er-Jahren viele Songs den Frieden, die Liebe und die Gleichstellung der Geschlechter propagierten. Die politische Dimension des Wettbewerbs erreichte ihren vorläufigen Höhepunkt im Jahr 1990, als die italienische Band Toto Cutugno mit ihrem Lied „Insieme: 1992“ den Traum von einem vereinten Europa besang. Nicht zu vergessen, Nicoles Friedensbotschaft mit „Ein bisschen Frieden“.
Und nun die Absage an den ukrainischen Präsidenten durch die European Broadcast Union (EBU), mit der Begründung, dass „dies gegen die Regeln der Veranstaltung verstoßen würde“. Dabei wurde der „unpolitische Charakter der Veranstaltung“ hervorgehoben. Und weiter: „Dieser Grundsatz verbietet die Möglichkeit, im Rahmen des Wettbewerbs politische oder ähnliche Äußerungen zu machen.“ Doch wie unpolitisch ist der ESC wirklich?
Ausschluss von Russland beim Eurovision Song Contest 2023
Die Frage darf gestellt sein, wie unpolitisch der Eurovision Song Contest tatsächlich ist. Ist etwa die Reaktion des EBUs, Länder wie Belarus, und seit dem Krieg gegen die Ukraine, auch Russland vom ESC auszuschließen, nicht auch politisch zu werten? Abgesehen davon kann man auch den ESC-Sieg der Ukraine 2022 durch das Publikum und die Jury als politisches Zeichen sehen. Kurz: Der Eurovision Song Contest war schon immer politisch, ob es die Veranstalter wollen oder nicht.
Nicht erst der Eurovision Song Contest 2023 zeigt, dass politische Themen nach wie vor einen wichtigen Platz in der Musik einnehmen. Einige der teilnehmenden Länder haben Lieder ausgewählt, die sich mit Themen wie Flucht, Umwelt- und Klimaschutz oder Geschlechtergerechtigkeit auseinandersetzen. Dies unterstreicht die Bedeutung von Musik als Medium, um politische Debatten anzuregen und gesellschaftliche Veränderungen zu fördern.
Die Grenzen der politischen Botschaften beim Eurovision Song Contest
Obwohl der ESC politische Themen aufgreift, gibt es natürlich Grenzen, wie politisch die Songs sein dürfen. Und diese Grenzen sind auch richtig. Gemäß den Regeln des Wettbewerbs sind Lieder, die explizit politische Botschaften vermitteln, nicht erlaubt. Dies soll sicherstellen, dass der Wettbewerb ein Ort der Einheit und des kulturellen Austauschs bleibt, frei von politischen Auseinandersetzungen. Und sicher, eine Videobotschaft eines amtierenden Präsidenten hat sicher noch einmal eine andere Qualität und Strahlkraft als der Song einer Sängerin oder eines Sängers. Und doch geben uns kraftvolle Songs wie „Heart of Steel“ von den ukrainischen Titelverteidigern von Tvorchi viel Interpretationsspielraum. Hier ein Auszug aus ihrem teilnehmenden Song:
And I’m playing for the win
Get out of my way
Cos I got a heart of steel
Despite the pain
I continue my fight
The world is on fire, and you act.
Jenseits der Interpretationsspielräume darf und muss Musik politisch sein und bleiben. Musik ist eine starke und doch friedliche Ausdrucksform, die uns einen emotionalen Zugang zu herausfordernden Themen ermöglicht. Und das ist auch gut so.
Hier ist der aktuelle ESC-Beitrag der Ukraine, performt beim zweiten Halbfinale des Eurovision Song Contest 2023 in Liverpool:
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