Finanznot in Klagenfurt: Steht die Landeshauptstadt vor der Pleite?

Finanznot in Klagenfurt: Steht die Landeshauptstadt vor der Pleite?
Photo by Andreas Weilguny / Unsplash

Die Landeshauptstadt Klagenfurt am Wörthersee steht finanziell mit dem Rücken zur Wand. Seit Monaten warnen Expertinnen, Politiker und Wirtschaftsvertreter vor einer drohenden Zahlungsunfähigkeit der Stadt. Ein riesiges Budgetloch, explodierende Kosten und politische Streitigkeiten schüren die Frage, die mittlerweile weit über Kärnten hinaus für Schlagzeilen sorgt: Ist Klagenfurt pleite? In diesem ausführlichen Bericht beleuchten wir die aktuelle finanzielle Lage der Stadt und prüfen, ob Klagenfurt tatsächlich zahlungsunfähig ist, was die Ursachen der Krise sind und welche Sparmaßnahmen sowie Zukunftsszenarien diskutiert werden. Die Analyse zeigt ein vielschichtiges Bild einer Kommune in der Krise – und eine Stadtführung, die mit drastischen Maßnahmen versucht, die Pleite abzuwenden.

Alarmierende Budgetlöcher und Zahlungsschwierigkeiten

Die finanzielle Schieflage der Stadt wurde bereits 2024 offensichtlich. Im Oktober schlug die neue Finanzreferentin Constanze Mochar (SPÖ) Alarm: Für das Jahr 2025 klaffte eine Lücke von rund 52 Millionen Euro im Budget – ohne drastische Gegenmaßnahmen könne kein Haushaltsplan erstellt werden. Ein Kassasturz in der Stadtkasse förderte zutage, dass die Defizite noch höher waren als befürchtet. Statt des ohnehin veranschlagten Abgangs von 16 Millionen Euro machte Klagenfurt schon im ersten Halbjahr 2024 ein Minus von 18,3 Millionen Euro. Hochrangige Mitarbeiter hatten bereits im Herbst 2023 eindringlich vor einer drohenden Pleite gewarnt, doch die Warnungen verhallten zunächst.

Ende 2024 herrschte dann Alarmstimmung im Rathaus: „Wenn wir nichts unternehmen, ist die Stadt 2025 pleite – es droht die Zwölftelregelung und Chaos“, warnten Vizebürgermeister Ronald Rabitsch und Finanzstadträtin Mochar. Die Aussicht: Ohne gültiges Budget müsste ab Januar 2025 im Notbetrieb gearbeitet werden. In einer solchen Situation greift die Zwölftelregelung, bei der der Stadt pro Monat nur ein Zwölftel des Vorjahresbudgets zur Verfügung steht. Das bedeutet einen strikten Ausgabenstopp für alle freiwilligen Leistungen – Subventionen an Sportvereine, Kulturinitiativen oder ähnliche Förderungen dürften dann nicht mehr ausbezahlt werden. Selbst die Zahlung aller Gehälter der rund 1.800 Mitarbeiter wäre gefährdet gewesen. Diese drastischen Warnungen machen deutlich, dass Klagenfurt bereits Ende 2024 akute Zahlungsschwierigkeiten hatte: Die Stadt lebte praktisch auf Pump und war ohne sofortige Finanzreformen nicht mehr in der Lage, ihren laufenden Betrieb voll zu finanzieren.

Tatsächlich trat Anfang 2025 das ein, was keiner Landeshauptstadt passieren möchte: Klagenfurt startete ins neue Jahr ohne beschlossenes Budget. Mangels politischer Einigung musste monatelang per Zwölftelprovisorium gewirtschaftet werden. Investitionen und Projekte lagen auf Eis, viele Ausgaben durften nur in minimalem Umfang getätigt werden. Im Klartext bedeutete dies einen Stillstand, der sowohl die Verwaltung als auch Vereine und Bürger zu spüren bekamen. „Fast alle Projekte und Förderungen würden eingefroren“, warnte auch die Wirtschaftskammer vor den Folgen einer Haushaltssperre. Klagenfurts finanzieller Spielraum war derart geschrumpft, dass von einer normalen Handlungsfähigkeit keine Rede mehr sein konnte. Erst im Juli 2025 – mit über einem halben Jahr Verspätung – gelang es der Stadtregierung, einen Budgetentwurf vorzulegen und im Gemeinderat mehrheitlich zu beschließen. Dieser Befund zeigt: Formal ist Klagenfurt zwar (noch) nicht insolvent, doch die Stadt war zeitweise nur einen Schritt von einem finanziellen Notstand entfernt, in dem sie ihre Rechnungen nicht mehr regulär bedienen könnte.

Droht der Stadt die Insolvenz?

Die Frage nach einer möglichen Insolvenz (Zahlungsunfähigkeit) der Stadt wurde im Jahr 2025 immer lauter gestellt. Um die Lage zu evaluieren, setzte man einen Konsolidierungsbeirat – ein Gremium aus Finanzexperten – ein. Dessen aktueller Bericht kam zu einem eindeutigen, aber alarmierenden Schluss: Ohne Kursänderung steuert Klagenfurt innerhalb eines Jahres auf die Zahlungsunfähigkeit zu. Konkret heißt es: „Bei der Umsetzung des Hallenbadprojektes und ohne gegensteuernde Maßnahmen droht spätestens in Q1 2026 die Zahlungsunfähigkeit“. Mit anderen Worten: Bleibt alles beim Alten und die Stadt baut das geplante neue Hallenbad (Schwimmbad) ohne zusätzliches Sparpaket, wäre spätestens Anfang 2026 kein Geld mehr da, um alle Verpflichtungen zu bedienen.

Allerdings haben die Experten verschiedene Szenarien durchgerechnet. Sollten die empfohlenen Sparmaßnahmen umgesetzt werden und Klagenfurt hält dennoch am Hallenbad-Bau fest, würde die Liquidität der Stadt immerhin etwas länger reichen – aber dennoch wäre 2027 Schluss. Nur im günstigsten Fall – also wenn drastisch gespart und das teure Hallenbad-Projekt vorerst gestoppt würde – könne Klagenfurt finanziell bis 2029 über die Runden kommen. Der von den Fachleuten errechnete Konsolidierungsbedarf liegt bei rund 60 Millionen Euro pro Jahr, eine Summe, die das strukturelle Defizit der Stadt verdeutlicht.

Die Drohung einer möglichen Insolvenz ist also real: Ohne Gegensteuern könnte Klagenfurt bereits in absehbarer Zeit zahlungsunfähig werden. Was würde das konkret bedeuten? Vollständige Bankrotterklärungen von Gemeinden sind in Österreich selten, doch sie sind rechtlich vorgesehen. Im Fall einer echten Pleite würde ein Insolvenzverwalter eingesetzt, der die Finanzgebarung der Stadt unter strenge Aufsicht stellt. Die Handlungsfreiheit der gewählten Stadtpolitiker wäre dann massiv eingeschränkt. Zwar wären wichtige öffentliche Güter – etwa Schulen, Verkehrsflächen oder Verwaltungsgebäude – rechtlich geschützt und könnten nicht einfach verkauft werden, die Stadt bliebe also handlungsfähig und würde nicht „zugesperrt“. Dennoch käme es einer politischen Entmündigung gleich: Alle wichtigen Entscheidungen stünden unter dem Diktat der externen Finanzaufsicht. Dieses Szenario möchte natürlich niemand – weder die Stadtregierung noch das Land Kärnten. Entsprechend schrill sind die Alarmglocken, und der Konsolidierungsbericht versteht sich als dringender Weckruf, um eine Kommunalinsolvenz mit allen Mitteln zu verhindern.

Bislang ist dieser Worst Case noch nicht eingetreten. Klagenfurt ist Stand Juli 2025 nicht formal bankrott, betonen Stadtvertreter. So ließ das Rathaus richtigstellen, man habe „kein Schulden-, sondern ein Liquiditätsproblem“ – sprich, die Verbindlichkeiten der Stadt könnten langfristig durchaus bedient werden, nur kurzfristig fehle es an flüssigen Mitteln für den laufenden Betrieb. In der Tat betrug der Schuldenstand Ende 2024 etwa 180 Millionen Euro und könnte ohne Sparpaket bis Ende 2025 auf 224 Millionen hochschnellen. Dem standen allerdings noch liquide Mittel gegenüber – zum Beispiel lagen im Herbst 2024 rund 130 Millionen Euro am Konto, allerdings zweckgebunden für das Hallenbad und die Sanierung der Kläranlage. Es ist also (noch) Geld vorhanden, nur wäre es ohne Umwidmung dieser Gelder bald erschöpft. Die Stadt steht gewissermaßen an der Kippe zur Insolvenz, aber noch nicht darüber hinaus. Entscheidender Faktor ist nun, ob die Politik die erforderlichen Reformen rasch umsetzt, um die Zahlungsunfähigkeit abzuwenden.

Teures Hallenbad: Streit um ein Millionengrab

Ein zentrales Streitthema in Klagenfurts Finanzdebatte ist das neue Hallenbad. Die Stadt ist seit einigen Jahren ohne öffentliches Hallenbad – das alte Bad wurde geschlossen, und der Wunsch nach einer modernen Schwimmhalle ist groß. Doch das Projekt entwickelt sich zur finanziellen Zerreißprobe. Geplant ist ein großzügiges Erlebnis-Hallenbad am Südring mit Sport- und Freizeitbecken, Saunabereich und Rutschen, dessen Baukosten aktuell auf rund 50 bis 66 Millionen Euro geschätzt werden. Gerade dieses Projekt wird vom Konsolidierungsbeirat massiv in Frage gestellt: Die Experten raten dringend, auf den Neubau vorerst zu verzichten, da er die maroden Stadtfinanzen über Gebühr belasten würde.

Dennoch hält die Stadtregierung bislang eisern an den Hallenbad-Plänen fest. In der Budgetklausur Ende Juni 2025 sprachen sich SPÖ, Team Klagenfurt (Liste Scheider) und auch die FPÖ ausdrücklich dafür aus, das Bad wie vorgesehen zu bauen. „Eine Stadt wie Klagenfurt braucht ein Hallenbad“, erklärte etwa FPÖ-Klubobmann Andreas Skorianz unumwunden. Bürgermeister Christian Scheider (Team Klagenfurt) räumte zwar ein, dass das Projekt unter den erschwerten Bedingungen ein Kraftakt sei, betonte aber: „Das Hallenbad am Südring wird weiterverfolgt. Es gibt keine Tabus, und es wird uns nichts übrigbleiben, dieses Papier des Konsolidierungsbeirates in größter Form umzusetzen“. Finanzreferentin Mochar argumentierte, ein Verzicht aufs Hallenbad würde lediglich etwas Zeit gewinnen, ändere aber nichts an der Tatsache, dass tiefgreifende Maßnahmen umgesetzt werden müssen. Die Stadtführung ist also der Ansicht, dass auch ohne Hallenbad-Bau ein massives Sparpaket nötig ist – dann könne man das Bad genauso gut gleich bauen und der Bevölkerung diese Infrastruktur bieten.

Kritik an dieser Haltung kommt von der Opposition. Die ÖVP etwa plädiert für eine abgespeckte Variante: Man brauche „ein Hallenbad, das die Mindestanforderungen erfüllt“, kein überdimensioniertes Prestigeprojekt. Die Grünen lehnen den Standort Südring ab und würden den Bau lieber auf später verschieben und auf dem Messegelände realisieren – sie blieben aus Protest der Budgetklausur fern. NEOS-Stadtrat Janos Juvan verließ die Sitzung demonstrativ vorzeitig; er monierte, weder Bürgermeister noch Finanzreferentin zeigten echten Reformwillen, sondern hielten starr am teuren Bad fest. In der Öffentlichkeit wird das Vorhaben bereits als „Hallenbad-Posse“ diskutiert, da seit Jahren Planungskosten anfallen, aber Finanzierung und Umsetzung ungewiss sind. Fakt ist: Das Hallenbad ist zum Symbol für Klagenfurts Finanzdilemma geworden – einerseits als wichtiges Infrastrukturprojekt für die Bürger, andererseits als möglicher „Millionengrab“, das die Stadt an den Rand der Pleite treiben könnte.

Ursachen der Finanzkrise: Strukturprobleme und Versäumnisse

Wie konnte Klagenfurt derart in die Bredouille geraten? Die Ursachen sind vielfältig. Zum einen kämpft nicht nur Klagenfurt, sondern zahlreiche Gemeinden in Kärnten und Österreich generell mit finanziellen Engpässen. Die Kosten für Pflichtaufgaben steigen rasant – Stichwort Kinderbetreuung, Schulen, Pflege – während die Zuweisungen von Bund und Land oft nicht im gleichen Maß wachsen. Der wirtschaftsliberale Thinktank Agenda Austria hat berechnet, dass die Gemeindeeinnahmen zwar seit 2019 um gut 31 % gestiegen sind, die Ausgaben aber um 39 % – das Geld „rinnt den Gemeinden nur so durch die Finger“. Hohe Inflation und neue Verpflichtungen (wie der Gratiskindergarten) haben vielerorts zu strukturellen Defiziten geführt. Klagenfurt ist hier keine Ausnahme: Auch hier galoppieren die Ausgaben schneller als die Einnahmen, was auf längere Sicht jedes Budget sprengt.

Doch neben diesen äußeren Faktoren werden auch hausgemachte Fehler und politische Versäumnisse deutlich. Klagenfurt hat in den letzten Jahren über seine Verhältnisse gelebt – so zumindest der Befund der Wirtschaftskammer und anderer Kritiker. „In den vergangenen Jahren haben sich die finanziellen Probleme in Klagenfurt dramatisch verschärft, und dennoch bleibt die Stadtregierung erschreckend untätig“, schimpfte Franz Ahm, Obmann der WK-Bezirksstelle, bereits im Sommer 2024. Er wirft der Stadtführung „politische Inkompetenz, immer höhere Personal- und Verwaltungskosten und fehlende Investitionen“ vor – eine gefährliche Mischung, die sowohl Unternehmen als auch Bürger der Stadt in Mitleidenschaft ziehe. Tatsächlich verschlingt alleine der Personalaufwand in Klagenfurt über ein Drittel der gesamten Stadteinnahmen. Der Magistrat beschäftigt knapp 1.800 Mitarbeiter (Planstellen 2025) – Tendenz bis vor kurzem steigend. Laut Opposition habe vor allem die SPÖ in der Vergangenheit immer wieder eine Aufstockung der Planstellen forciert, ohne für gegenfinanzierende Einsparungen an anderer Stelle zu sorgen. Gleichzeitig wurde aber versäumt, die Verwaltungsstrukturen zu modernisieren und effizienter zu machen, sodass die Personalkosten aus dem Ruder liefen.

Hinzu kommen fragwürdige Budgetpraktiken früherer Jahre. So wurde der Voranschlag teils mit optimistischen Annahmen „schöngefärbt“ – der vorige Finanzreferent Philipp Liesnig (SPÖ) vermeldete für 2023 überraschend einen positiven Finanzierungssaldo, was sich im Nachhinein als unhaltbar herausstellte. Liesnig trat schließlich nach einer Chat-Affäre zurück, und seine Nachfolgerin Mochar „landete am Boden der Tatsachen“. Mit anderen Worten: Die wahre Finanzlage wurde möglicherweise zu spät offen kommuniziert. Interne Warnungen vor dem drohenden Kollaps gab es zwar – bereits 2023 sprach man hinter vorgehaltener Hand von einer Pleitegefahr – doch politisch wurden diese Hinweise lange ignoriert. Die SPÖ hatte das Finanzressort in Klagenfurt seit 2015 durchgehend inne, konnte aber offenbar bis 2024 keine Trendwende herbeiführen. Vizebürgermeister Rabitsch (SPÖ) räumte selbstkritisch ein: „Es wurden Fehler gemacht, da nehme ich die SPÖ nicht aus“.

Gleichzeitig zeigt die aktuelle Dreier-Koalition (Team Scheider, SPÖ, FPÖ) in Klagenfurt ein Bild der Uneinigkeit und gegenseitigen Schuldzuweisungen. Wenn es um Verantwortung für die Misere geht, schieben sich die Partner gegenseitig den Schwarzen Peter zu. Die SPÖ kritisiert den Bürgermeister, er zeige als Personalreferent „keinerlei Einsparungswillen“ im Magistrat. Das Team Scheider kontert, die Sozialdemokraten seien mit dem Finanzressort „völlig überfordert“ und schadeten mit ihren Kassandrarufen der Bonität der Stadt. Die FPÖ wiederum muss ihren Spagat erklären: Einerseits ist sie Teil der Stadtregierung und trägt Beschlüsse mit, andererseits lehnt sie einzelne Maßnahmen – wie den Verkauf der städtischen Flughafenanteile – populistisch ab und fordert „mehr Pflichtbewusstsein“ vom Bürgermeister. Oppositionspolitiker greifen dieses Chaos gerne auf: NEOS-Chef Janos Juvan etwa meint, „Christian Scheider ist der schlechteste Bürgermeister, den diese Stadt je hatte“, und auch die SPÖ trage als Finanzverantwortliche eine Mitschuld. Die ÖVP kritisiert, viele Sparvorschläge seien längst bekannt und sogar beschlossen, „nur an der Umsetzung scheitert es wie jedes Mal“. Dieses politische Hickhack hat wertvolle Zeit gekostet – Zeit, in der das Budgetloch immer größer wurde. Klagenfurt zahlte auch den Preis für politische Grabenkämpfe und fehlende Entschlusskraft, was die strukturellen Probleme verschärfte.

Ein weiterer Faktor: Teure Projekte und Altlasten lasten auf dem Haushalt. Neben dem Hallenbad (s.o.) drückt etwa die notwendige Generalsanierung der Kläranlage mit zig Millionen Euro Kosten. Auch Zukunftsinvestitionen wie die Elektrifizierung der städtischen Busflotte standen auf der Agenda – sinnvolle Maßnahmen, die aber derzeit finanziell kaum zu schultern sind. Lange Zeit hielt Klagenfurt zudem an einem 21%-Anteil am defizitären Flughafen fest, der jährliche Zuschüsse erforderte. Erst 2025 entschied man sich, dieses „teure Familiensilber“ an das Land Kärnten abzutreten, um die Stadt von künftigen Millionenverpflichtungen zu entlasten. Insgesamt zeigt sich: Strukturelle Schieflagen (hohe laufende Ausgaben, Personal und Pflichtleistungen) trafen in Klagenfurt auf strategische Fehleinschätzungen (Großprojekte zur Unzeit, verspätete Reformen). Zusammen mit externen Faktoren (Inflation, Finanzverteilung) ergab das eine gefährliche Mischung, die 2024/25 zur akuten Krise führte.

Harte Sparmaßnahmen: Wie Klagenfurt den Kollaps abwenden will

Angesichts der bedrohlichen Lage blieb der Stadtpolitik letztlich keine Wahl, als den Sparstift anzusetzen. In den vergangenen Monaten wurden eine Fülle an Konsolidierungsmaßnahmen debattiert und teilweise bereits beschlossen. Das Konsolidierungskonzept des Expertenbeirats umfasst rund 80 Seiten voller Vorschläge. Kernpunkt ist der drastische Abbau von Personalkosten: Bis 2030/2032 soll der Personalstand um etwa 300 Stellen reduziert werden. Das entspricht gut 15–20% der Belegschaft. Erreicht werden soll dies vor allem durch natürliche Fluktuation – viele Bedienstete gehen demnächst in Pension, und deren Posten sollen möglichst nicht nachbesetzt werden. „Wir werden sehr rigide sagen: keine Nachbesetzungen, außer es ist absolut erforderlich“, erklärte Bürgermeister Scheider dieses Prinzip. Allein diese Maßnahme würde die jährlichen Ausgaben bis 2032 um rund 20 Millionen Euro senken. Zudem steht eine Nulllohnrunde (Gehaltsstopp) im Raum: Für 2025 sollten die städtischen Bediensteten eigentlich Gehaltserhöhungen analog zum Landesabschluss bekommen, doch nun erwägt man, auf diesen Anstieg zu verzichten. Auch die Zahl mancher dienstfreien Tage (z.B. Karfreitag, Allerseelentag) könnte reduziert werden, um Arbeitsstunden zu gewinnen. All dies soll die Personalkosten dämpfen, was angesichts der bisherigen Steigerungen als unvermeidlich gilt.

Parallel dazu muss die Einnahmenseite verbessert werden. Ein Schritt ist bereits umgesetzt: Seit Sommer 2024 gilt eine Parkraumbewirtschaftung auch am beliebten Strandbad-Parkplatz am Wörthersee – dort war Parken früher gratis, nun wird kassiert. Im Juli 2025 beschloss die Stadt zudem, die Parkgebühren stadteinwärts deutlich zu erhöhen: Ab 1. September verdoppelt sich die Tarif für die erste Stunde von 90 Cent auf 1,80 Euro (15 Minuten Gratis-Parken bleiben). Damit sollen einerseits Mehreinnahmen generiert, andererseits aber auch „Parksünder“ zur Kasse gebeten werden, die bisher Schlupflöcher nutzten. Weitere Gebührenerhöhungen – etwa im Bereich der Verwaltung und Freizeit – stehen ebenfalls zur Diskussion. Die städtischen Beteiligungsbetriebe müssen ihren Beitrag leisten: Die Stadtwerke Klagenfurt wurden angehalten, höhere Gewinnausschüttungen an die klamme Stadtkasse abzuführen – laut Plan jeweils 15 Millionen Euro in den Jahren 2025 und 2026 und danach bis 2029 jährlich 10 Millionen. Diese Quasi-Quersubvention soll Geld in die Kasse spülen, ist aber nicht ohne Risiko: Die Stadtwerke selbst müssen wirtschaftlich gesund bleiben, um solche Summen aufbringen zu können.

Auch vor dem Verkauf von Vermögenswerten schreckt man nicht zurück. So wurde, wie erwähnt, der Anteil am Flughafen Klagenfurt ans Land Kärnten abgegeben, um künftige Zuschusszahlungen in Millionenhöhe zu vermeiden. Des Weiteren schnürt die Stadt ein umfangreiches Paket an Immobilienverkäufen: Mehrere nicht unbedingt benötigte städtische Liegenschaften – von Grundstücken bis hin zu Gebäuden – sollen veräußert werden, um über 30 Millionen Euro Erlös zu erzielen. Zur Debatte steht sogar, städtische Wohnungen an die Mieter zu verkaufen: Die Bewohner von Gemeindebauten wurden befragt, ob sie Interesse hätten, ihre Wohnung zu erwerben. Damit würde die Stadt einerseits Geld erhalten, verliert aber natürlich kommunalen Wohnraum – ein Schritt, der gut überlegt sein will („Wir dürfen nicht das Familiensilber verscherbeln“, warnt etwa die SPÖ in diesem Kontext). Weitere Spar-Ideen zielen auf die Verwaltungsstruktur: So wird die Liquidation einiger städtischer Gesellschaften und Ämter erwogen – genannt wurden z.B. Klagenfurt Marketing und das Ordnungsamt, deren Aufgaben man einsparen oder anders verteilen könnte. Durch Zusammenlegung von Abteilungen und Abbau von Führungsstellen erhofft man sich eine schlankere Magistratsorganisation. Bürgermeister Scheider hat hierfür eine umfassende Aufgaben- und Strukturreform angekündigt und sieht die Stadt auf dem Weg zu einer moderneren Verwaltung.

Auch an zuvor „Heiligem“ wird gerüttelt: Diskutiert wird eine Reorganisation der Feuerwehr – die teure Berufsfeuerwehr soll enger mit den Freiwilligen Feuerwehren kooperieren, um Doppelgleisigkeiten abzubauen. Sogar die Schließung der defizitären Stadtgalerie (eines kommunalen Kunstmuseums) steht als Option im Raum. Sport- und Kulturetats wurden bereits 2024 drastisch gekürzt: 1,5 Millionen Euro weniger für Sport bedeuten, dass es kaum noch städtische Zuschüsse für Vereine gibt und beliebte Jugendprogramme wie das kostenlose Winterschnuppern gestrichen wurden. Selbst Großevents wie internationale Fußballspiele im Wörthersee-Stadion (etwa von Sturm Graz in der Champions League) erhalten keine Unterstützung mehr, sofern keine vertraglichen Bindungen bestehen. Die Devise der zuständigen Sportstadträtin Mochar lautet: „Ich muss den Notbetrieb erhalten“ – mehr ist nicht drin. Diese Einschnitte schmerzen, sollen aber verdeutlichen, wie ernst es der Stadt mit dem Sparwillen ist.

Unterm Strich hat Klagenfurt ein rigoroses Sparkonzept auf den Weg gebracht, das in der Stadt so noch nie da war. „Massiver Konsolidierungsbedarf“ bestehe weiterhin, heißt es offiziell – doch mit den eingeleiteten Maßnahmen hofft man, das Ruder herumzureißen. Ab 2025/26 wird die Bevölkerung die Veränderungen deutlich spüren: Weniger Personal in der Verwaltung könnte längere Erledigungszeiten bedeuten, höhere Gebühren belasten den Geldbeutel, gewisse freiwillige Angebote der Stadt fallen weg. Die Stadtregierung betont jedoch, es gehe nicht anders. Zukunftsweisende Investitionen – etwa in Umwelt und Infrastruktur – wolle man trotz allem nicht völlig streichen, um die Lebensqualität zu erhalten. So wurde im Budget zumindest festgeschrieben, dass „nachhaltige Projekte für die Bevölkerung nicht auf der Strecke bleiben“ dürfen. Es ist ein Balanceakt zwischen Sparen und Gestalten, den Klagenfurt in den kommenden Jahren meistern muss.

Zukunftsszenarien: Rettung oder Bankrott?

Wie also sieht die Zukunft der Stadt Klagenfurt finanziell aus? Derzeit bewegt sie sich auf einem schmalen Grat. Szenario 1: Die eingeschlagenen Sparmaßnahmen greifen, und das Hallenbad-Projekt wird zumindest entschleunigt oder verkleinert. In diesem Fall stehen die Chancen gut, dass die Stadt die Zahlungsunfähigkeit abwenden kann. Der Konsolidierungsplan gibt ein Zeitfenster bis etwa 2029 vor, wenn strikt gespart wird und keine neuen finanziellen Belastungen hinzukommen. Innerhalb dieses Fensters müsste Klagenfurt seine Finanzen grundlegend saniert haben. Gelingt dies – was harte Disziplin voraussetzt –, könnte die Stadt schrittweise aus der Krise finden. Unterstützung vom Land Kärnten dürfte es in gewissem Umfang weiter geben. Tatsächlich hat das Land bereits 2024 ein kommunales Hilfspaket von 52 Millionen Euro geschnürt, um allen Kärntner Gemeinden durch die schwierigste Phase zu helfen. Landesrat Daniel Fellner versprach damals: „Keine Kärntner Gemeinde wird in die Zahlungsunfähigkeit schlittern“. Allerdings sind solche Hilfen keine Dauerlösung, sondern Überbrückungen. Langfristig muss Klagenfurt aus eigener Kraft ein nachhaltig ausgeglichenes Budget zustande bringen – darin sind sich alle Experten einig.

Szenario 2: Die Stadt macht zwar Fortschritte beim Sparen, hält aber unbeirrt an kostspieligen Projekten wie dem Hallenbad fest und gerät womöglich in neue finanzielle Verpflichtungen (z.B. die Abwasseranlage oder andere Infrastruktur). Dann könnte das bisherige Sparpaket nicht ausreichen. Die Prognosen sagen in diesem Fall eine Atempause bis etwa 2027 voraus, bevor die Liquidität erneut erschöpft wäre. Klagenfurt stünde dann in wenigen Jahren wieder vor dem gleichen Problem wie heute, vielleicht sogar verschärft – denn die einfachen Sparpotentiale (Verkäufe, Gebührenerhöhungen) sind bis dahin weitgehend ausgereizt. Bliebe als Ausweg nur noch eine fundamentale Änderung der Rahmenbedingungen: etwa eine Reform des Finanzausgleichs zugunsten der Gemeinden (wofür sich der Städtebund vehement einsetzt) oder neue Einnahmequellen wie eine zeitgemäße Erhöhung der Grundsteuer. Ob und wann so etwas kommt, ist jedoch ungewiss.

Szenario 3 wäre der Super-GAU: Die politischen Bemühungen scheitern, entweder weil Einsparungen nicht konsequent umgesetzt werden oder weil unvorhergesehene Schocks (etwa ein Wirtschaftseinbruch, weitere Preisexplosionen oder Einnahmenausfälle) alle Planungen über den Haufen werfen. Dann könnte Klagenfurt tatsächlich binnen Jahresfrist zahlungsunfähig werden. Die Konsequenz wäre, wie beschrieben, ein Insolvenzverfahren unter Aufsicht. Die Stadt würde damit faktisch die finanzpolitische Selbstbestimmung verlieren – ein Novum für eine österreichische Landeshauptstadt. Dieses Szenario gilt es um jeden Preis zu vermeiden. Allerdings schwingt in der öffentlichen Diskussion ein mahnender Unterton mit: Einige Beobachter meinen, erst die Androhung der Insolvenz habe die Politik wirklich wachgerüttelt. So sagte Agenda-Austria-Ökonom Jan Kluge spitz: „Bürgermeister werden nicht dafür gewählt, keine Schulden zu machen, sondern dafür, dass es zum Beispiel ein Hallenbad gibt. Sie gehen davon aus, dass im Notfall Bund oder Land sie retten – weil es immer schon so war.“. Genau diese Mentalität müsse sich ändern, damit Städte wie Klagenfurt nachhaltig haushalten.

Für die nähere Zukunft ist also entscheidend, dass der Konsolidierungskurs gehalten wird. Die nächsten Monate und Jahre werden zeigen, ob Klagenfurt genügend einsparen kann, ohne seine Attraktivität und Handlungsfähigkeit völlig zu verlieren. Ein Hoffnungsschimmer ist, dass mittlerweile alle im Rathaus die Ernst der Lage erkannt haben dürften. Selbst unbequeme Schritte – Stellenstopp, Leistungskürzungen, Verkauf von Prestigeobjekten – stehen nun auf der Agenda, was früher undenkbar schien. Es ist ein langer, schmerzhafter Prozess des Gürtel-Enger-Schnallens. Sollte jedoch – wider Erwarten – wieder politischer Stillstand eintreten oder sollte die Konjunktur einbrechen, könnte der Finanzplan schnell Makulatur werden. Dann rückt das Horrorbild vom „Pleite-Stadt“ erneut näher. Die Gemeindeaufsicht des Landes wird Klagenfurt daher streng beobachten: Halbjährliche Finanzberichte sind angeordnet, um rechtzeitig gegenzusteuern.

Schlussfolgerung: Ist Klagenfurt pleite?

Abschließend zurück zur Leitfrage: Kann man Klagenfurt als „pleite“ bezeichnen oder nicht? Die Antwort darauf muss differenziert ausfallen. Juristisch gesehen ist Klagenfurt derzeit nicht insolvent. Die Stadt befindet sich nicht in einem formellen Konkursverfahren, sie erfüllt ihre Pflichtzahlungen (wenn auch unter großen Mühen), und durch Notmaßnahmen konnte ein echter Zahlungsausfall bislang vermieden werden. Von einer offiziellen Bankrotterklärung kann also (noch) keine Rede sein. Allerdings: In der Alltagssprache und aus Sicht der Betroffenen wirkt Klagenfurt de facto bereits pleite. Wenn eine Stadt ihren Haushalt nur mit Notrecht führen kann, faktisch keine freiwilligen Leistungen mehr erbringen darf und massive Einschnitte vornehmen muss, um überhaupt handlungsfähig zu bleiben, dann unterscheiden sich die Lebensrealitäten kaum von denen einer insolventen Kommune. „Ohne finanzielle Spielräume schwinden die Gestaltungsmöglichkeiten“, warnte die Wirtschaftskammer – und genau an diesem Punkt war Klagenfurt angekommen. Viele Projekte liegen auf Eis, der Sparzwang diktiert die Politik. Insofern ist der Begriff „pleite“ mehr als nur Panikmache: Er beschreibt zugespitzt die dramatische Finanznot, in der sich die Stadt befindet.

Dennoch ist es wichtig zu verstehen, warum Klagenfurt nicht einfach bankrottgehen kann und darf. Gemeinden sind das Fundament staatlicher Daseinsvorsorge; ihre Zahlungsunfähigkeit würde Bürger und Wirtschaft hart treffen. Daher werden im Hintergrund alle Hebel in Bewegung gesetzt, um den Kollaps abzuwenden – sei es durch Landesmittel, gesetzliche Anpassungen oder eben rigoroses Sparen. Man kann also sagen: Klagenfurt ist (noch) nicht pleite, aber es steht am Abgrund. Ohne Kurskorrektur hätte die Stadt binnen kurzer Frist insolvent werden können, doch mit dem eingeleiteten Sparkurs besteht eine echte Chance, sich zurückzukämpfen. Ob man schon von einer Pleite sprechen kann, hängt vom Blickwinkel ab. Aus Sicht der Opposition und mancher Medien hat Klagenfurt den Bankrott-Stempel aufgedrückt bekommen, um die Verantwortlichen wachzurütteln. Aus Sicht der Stadtregierung soll dieser Begriff nur verdeutlichen, wie ernst die Lage ist – denn noch habe man es selbst in der Hand, die Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden.

Fakt ist: Die Stadtfinanzen Klagenfurts befinden sich in der schwersten Krise der Nachkriegsgeschichte. Nur mit vereinten Kräften, politischem Mut und Disziplin wird Klagenfurt die Kurve kratzen können. Gelingt dies, wird man in einigen Jahren sagen können: Die Pleitegeier sind noch einmal davongeflogen. Scheitert es, droht ein Präzedenzfall einer insolventen Landeshauptstadt. Im Moment überwiegt vorsichtiger Optimismus, dass Klagenfurt die Wende schafft – doch der Preis ist hoch. Eine Pleite im umgangssprachlichen Sinne erlebt Klagenfurt bereits, weil Wohlstand und Handlungsspielräume der Stadt massiv eingebrochen sind. Eine Pleite im rechtlichen Sinne kann aber hoffentlich vermieden werden, wenn die nun beschlossenen Spar- und Reformschritte konsequent umgesetzt werden. Die kommenden Monate werden zeigen, ob Klagenfurt wirklich zahlungsfähig bleibt – oder ob sich die Warnung bewahrheitet, dass in Kärnten erstmals eine Stadt unter finanzieller Zwangsverwaltung gestellt werden muss. Bis dahin gilt: Klagenfurt ist noch nicht am Ende, aber der Gürtel sitzt enger als je zuvor. Die Frage „Ist Klagenfurt pleite?“ lässt sich somit beantworten mit: Noch nicht – und mit etwas Glück und viel Sparsamkeit wird es auch nicht so weit kommen.

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