Das Gartentor zur Welt: Wenn man so etwas hört wie „Tag des Gartens” geht man davon aus, dass dies ein Tag für Spießer sein muss. Menschen, die es lieben einen geregelten Ablauf zu haben. Menschen, die mindestens der Mittelschicht angehören. Menschen, die Unkraut von Majoran unterscheiden können. So sah ungefähr mein Bild von typischen Gartenbesitzern aus. Eine gute Mischung aus eigener Erfahrung und allgemein bekannten Stereotypen.

Als Kind war ein Garten für mich etwas, das nur andere hatten. Wir wohnten immer in Wohnungen, die nur einen kleinen Balkon besaßen. Schnell habe ich gemerkt, dass so etwas unter „Privilegien” fällt, die uns leider nicht zu teil waren. Kein kleinstädtischer Swimmingpool, kein Rasensprenger-Springen, kein Gehege für Kleintiere, kein Zugehörigkeitsgefühl in dieser Klassengesellschaft. Nicht schlimm, aus mir ist trotzdem was geworden. Aber einen Zugang zu Garten-Freuden habe ich nie wirklich gefunden.

Jedes Mal wenn es um die Bundesgartenschau ging, wunderte ich mich sehr über diesen Gartentourismus. Es gibt Menschen die fahren gemeinsam in Bussen durch die Welt und schauen sich, natürlich nach Absprache, fremde Gärten an. In der Literatur werden Gärten, grüne Oasen, aber auch Gartenstrukturen wie Gartentore und — Zäune häufig verwendet. Es sind klassische Sinnbilder, die jeder versteht. Auch unsere Bundeskanzlerin hat eine gewisse Garten-Ethik verinnerlicht: „Der Staat muss Gärtner sein und darf nicht Zaun sein, wenn er Wachstumspolitik betreiben will.Danke, Merkel. „Was hat ein Gärtner zu reisen? Ehre bringt’s ihm und Glück, wenn er sein Gärtchen versorgt.” Danke, Goethe. Schön, dass ihr mich alle daran erinnert, dass ich keinen Garten habe. Yolo.

Ich hab kein Gartentor: Fehlt mir was?

Beim Gärtnern ist es wie beim Malen, man kreiert eine Illusion. Würde man nichts tun, würde es wahrscheinlich nie so schön aussehen. Aber warum sollte ich mich nicht für Kunst interessieren, nur weil mir die Farbe zum Malen fehlt? Welche Wirkung hat denn eigentlich ein Garten für mich? Und würde mir etwas im Leben fehlen, wenn ich nie diesen Garten für mich erschaffen kann? Oder kann ein Schrebergarten diese Lücke schließen?

Mein aktuelles Gärtnern beschränkt sich auf Schnittblumen und einem Kräuter-Beet auf dem Balkon. Als Großstadtmensch ist das schon viel. Brauch ich denn mehr?

In dem Band „Zen-Buddhismus und Psychoanalyse” von Erich Fromm, Richard de Martino und Daisetz Teitaro Suzuki werden zwei unterschiedliche Gedichte miteinander verglichen. Sie handeln vom Flanieren und Blumen und sollen die unterschiedlichen Ansichtsweisen zwischen östlicher Religiosität und westlicher Wissenschaft darstellen. Das eine Gedicht vom Briten A. Tennyson beschrieb das Pflücken einer Blume am Wegesrand — Das Haben. Das andere von Bashos Haiku beschrieb das aufmerksame Beobachten der Blume — Das Sein. Ist das etwas, was uns Großstadtmenschen unterscheidet von den Gärtnern dieser Welt? Wir entwurzeln eine Blume und inszenieren sie künstlich auf unseren Balkonen. Wir erfreuen uns des Habens und sind perfektionistisch in unserer Anpassungsfähigkeit. Bei den Gedichten geht es nicht darum, dass Schnittblumen ein Zeichen grausamen Imperialismus sind, es geht viel mehr darum, ob und wie wir die Natur wahrnehmen und mit ihr umgehen. Wäre es nicht viel natürlicher, sich die Zeit zu nehmen und erstmal die Blume am Wegesrand beobachten? Einfach Sein im Moment?

Der eigene Garten: Lifestyle-Objekt oder Achtsamkeits-Oase?

Vielleicht war das mein Konflikt. In Deutschland wirkt der Garten viel mehr wie Eigentum. Er wird zumindest wie ein Lifestyle-Objekt gepflegt und gehegt. Selten wurde eine tiefere Bindung betont. Ich habe nie gelernt, den Garten als einen Ort des Seins wahrzunehmen, wenn ich mal wieder vor einem fremden Gartentor stehen bleibe. Ein privater Ort, an dem ich mich auf den Rasen setzen kann und den kleinen Mikrokosmos beobachte. Über mehrere Tage, Wochen und Monate mich in Achtsamkeit übe und das Geschehen zwischen Himmel und Erde verfolge. Die Verbindung zwischen Frucht und Blüte verstehe und erkenne. Die Freude an fruchtbarem Boden und essbarer Landschaft spüre.

So vieles wurde mir erst klar, als ich meine Mutter beobachtet habe. Sie hat einen kleinen Garten, aber kann durch ihre Krankheit sich nicht darum kümmern. Trotzdem sitzt sie jeden Tag am Fenster und beobachtet ihn. Wenn das Wetter gut ist, setzt sie sich auch raus. Über Jahre war immer der Druck da, den „Rasen doch mal zu erneuern” und auch viel mehr „Blumen zu pflanzen und Unkraut zu jäten”, denn die Nachbarn waren regelrechte Kleinkunst-Gärtner.

Doch mit den wiederholenden Jahreszeiten und dem unvorhersehbaren Verlauf einer Krankheit, hat uns der Garten Genügsamkeit beigebracht. Es ist manchmal einfach viel schöner die Natur zu beobachten, als ständig einzugreifen.

Es ist ein tolles Gefühl zu sehen, dass die Natur immer in Bewegung ist. Dass aus fast jedem Boden etwas Neues heranwächst und man nie weiß, was daraus entsteht. In mir entsteht jedenfalls ein Gefühl von Vertrauen und Sicherheit. Ich bin Teil dieser Natur. Egal wie viele Stürme, Tornados, kalte Winter oder überhitze Sommer auf mich zukommen, ich werde weiter wachsen. Daran werde ich mich immer erinnern, wenn ich vor einem fremden Gartentor innehalte.

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