Jetzt ist sie raus, die neue Rammstein Single, die mit ihrem Video vom Fleck weg Unmengen an Skandalschlagzeilen generiert hat. Obwohl, nein: Eigentlich war es vor allem der nur einige Sekunden lange Teaser zum Video zu Deutschland. Der ganze Clip zeigt, wieviel heiße Luft in diesem Zusammenhang produziert wurde. Aus purer Gewohnheit.
Natürlich zuckt man zusammen, wenn Lindemann und Co. in besagtem Teaser in eindeutig als KZ-Sträflingskleidung zu erkennenden Anzügen am Galgen aufgeknüpft werden. Hat irgendjemand etwas Harmloses, Geschmackvolles von der Band erwartet? Aber das machen Rammstein ja nicht aus Gedankenlosigkeit oder Bösartigkeit, sondern aus purem Kalkül. Weil sie wissen, dass die Aufmerksamkeit garantiert ist. Und so reicht alleine schon die Tatsache, sich öffentlich und fürchterlich darüber aufzuregen, um zu wissen, dass der Kommentator keinen Schimmer über den Kontext hat, in dem Rammstein solche Dinge machen. Und auch nicht über die inhaltlichen Zusammenhänge.
Oh je, Rammstein gießen Öl ins rechte Feuer, verharmlosen den Holocaust und stacheln ihre Fans an, laut Deutschland zu skandieren! Wer solche Ängste hat, sollte sich vielleicht lieber mal mit der kitschigen und rückwärtsgewandten Heimattümelei in der Volksmusik auseinandersetzen. Aber die wird ja nicht mit KZ-Uniformen, sondern mit Lederhose, Dirndl und Berghüttenkulisse weichgespült. Ist doch so schön auf dem Obersalzberg! Und selbst jemand wie Andreas Gabalier, der sich in seinen Texten nicht nur thematisch, sondern auch in seinem Formulierungen realtiv unverblümt als Rechtsausleger offenbart, generiert nur einen Bruchteil der Empörung, die Rammstein zuteil wird. An seiner Relevanz kann es nicht liegen: Auch er spielt vor zigtausenden Menschen. Eine provokante Verwendung von bedenklichen Inhalten um eben diese zu kritisieren ist also scheinbar skandalöser, als wenn man diese blumig verpackt, um sie zu glorifizieren? Aha.
Neue Rammstein Single: Der Skandal ist nur in den Köpfen
Wer sich das ganze Video von Rammstein zu Gemüte führt, merkt, was man sich eigentlich schon hätte denken können: Die ohne Frage grenzwertige KZ-Szene ist nur ein Bruchteil eines Abrisses deutscher Geschichte. Und sowohl die gesamte Szene als auch der Text des Liedes können eigentlich keinen Zweifel daran lassen, dass die neue Rammstein Single vieles will — aber nicht den Neurechten in die Hände spielen. Gönn dir die Lyrics im Refrain:
Natürlich wird es genug verirrte Seelen geben, die diese Zeilen im bierseligen Deutschland, Deutschland-Rausch herumgrölen werden. Ebenso, wie es viele gibt, die Born In The USA von Bruce Springsteen immer noch für eine Patriotenhymne oder Alkohol von Herbert Grönemeyer für ein Trinklied halten. Aber dass die richtige Botschaft bei den richtigen Adressaten ankommt, beweist ein passender Kommentar im sehr weit rechts angesiedelten Magazin Junge Freiheit, dem zwischen den Zeilen deutlich der Ärger darüber anzumerken ist, dass die Göttin Germania von einer farbigen Schauspielerin dargestellt, die deutsche Geschichte nur von ihrer dunklen Seite und die Band dafür auch noch mit so viel Aufmerksamkeit bedacht wird. Ehrensache, dass der JF-Kommentator die Textzeile „Deutschland, deine Liebe ist Fluch und Segen, meine Liebe kann ich dir nicht geben” besonders negativ hervorhebt.
Dieser Zeile hätte ein anderer Autor aus einer ganz anderen Ecke, Felix Dachsel vomVice-Magazin, vielleicht auch etwas genauer hinterfragen sollen. Aber sein Kommentar dient, wie er selbst zugibt, eher dem Zweck, seine generelle Rammstein-Abneigung einfach mal wieder rauszulassen:
Sei es ihm gegönnt — auch um den Preis, die eigentliche Botschaft des Deutschland-Videos nicht zu verstehen oder zu ignorieren. Kann man machen — aber dann outet man sich sich eben als einer von den vielen, vielen Menschen, die einfach aus Gewohnheit und Reflex bei Rammstein einen Skandal wittern. Oder, wie man in den Kommentarspalten bei Facebook wohl sagen würde: Ganz schön viel Meinung für so wenig Ahnung.