Sie sind vorbei, die Zeiten, in denen sich die Männer voll und ganz auf den Nestbautrieb der Frauen verlassen und sich aus dem Einrichten der gemeinsamen Wohnung weitestgehend heraushalten konnten. Der moderne Mann steckt mittendrin im IKEA-Zeitalter und das bedeutet nun mal, sich der Verantwortung zu stellen, die eine Wohnung mit sich bringt: Wenn die eigenen vier Wände als Spiegel der Persönlichkeit gelten, wer wollte da schon ein schlechtes Bild abgeben? Ist das wirklich das Ende aller Geschlechterklischees rund um das Thema wohnen? Kann jetzt wirklich die Harmonie in alle gemeinsamen Wohnungen einziehen?
„Weißt du, was ein Plate ist?“
„Ich glaub‘, ne Decke.“
„Ne kleine Decke, nichts weiter. Wieso wissen Leute wie du und ich, was ein Plate ist? Ist das unentbehrlich für unser Überleben, Jäger- und Sammler-technisch betrachtet? Nein. für unser Überleben im Sinne der Welt von Jägern und Sammlern? Nein. Was sind wir eigentlich?“
„Also, keine Ahnung, Konsumenten?“
„So ist es. Wir sind Konsumenten. Wir sind Abfallprodukte der allgemeinen Lifestyle-Obsession.“
(aus: Fight Club)
Tyler Durdens Albtraum ist schlussendlich doch wahr geworden. Heute wissen Männer nicht nur, was ein Plate ist (und sei es nur deshalb, weil sie „Fight Club“ gesehen haben), sie wissen überhaupt in Sachen Einrichtung außerordentlich gut Bescheid. Was wohl der Grund dafür sein dürfte, dass von Sky DuMont über Heiner Lauterbach bis hin zu Gerard Butler auch immer mehr Männer für Möbel werben.
Das ist nicht grundsätzlich zu verurteilen, im Gegenteil. In gewisser Weise ist es ja ein emanzipatorischer Schritt, den die Männer da geschafft haben. Gleichberechtigte Teilhabe am Lifestyle-Gefühl, das irgendwie so wichtig geworden ist. In dem das Wissen um ein Plate dann irgendwie doch etwas Essentielles ist, zumindest dann, wenn das Zusammenleben mit der Liebsten auf Augenhöhe stattfinden soll. Womit wir wieder bei Klischees wären. Schwierig, dem beim Thema „Gemeinsame Wohnung“ zu entgehen.
Das Ende der Geschlechterklischees?
Dabei sind die Übereinstimmungen auf den zweiten Blick gar nicht mehr so groß. Bei einer Umfrage kam zum Beispiel heraus, dass die Herangehensweise bei der Wohnungssuche offenbar immer noch sehr verschieden ist – auf eine, gemessen an eigentlich überkommenen Geschlechterrollen, sehr „klassische“ Art und Weise: Männer rational, Frauen emotional.
Kennt man ja. Weil Männer ja schon aus Prinzip reine Kopfmenschen sind und sich niemals zu Gefühlsausbrüchen hinreißen lassen (außer beim Fußball, aber das ist auch wieder eine ganz andere Kiste, versteht sich!). Und Frauen bekanntermaßen das „Man-sieht-nur-mit-dem-Herzen-gut“ in den Genen haben und gar nicht anders können, als aus dem Bauch heraus zu entscheiden. Wie sollte es also bei der Wahl der Wohnung anders sein?
Mein Bereich, dein Bereich, unser Bereich
Ansonsten scheinen die Geschlechterunterschiede rund ums Wohnen und Einrichten aber in einem derart weit fortgeschrittenen Zustand der Auflösung, dass sie glatt als überwunden gelten könnten. Nur zur Erinnerung: Das „Problem“, dass plötzlich auch Männer sich für Möbel interessieren – und zwar über die ja beinahe zu erwartenden Kernelemente Sofa, Fernseher und Kühlschrank hinaus – ist jetzt wirklich kein neues. „Fight Club“ ist inzwischen immerhin fast 20 Jahre alt und der Film lässt keinen Zweifel bestehen, dass die „Lifestyle-Obsession“ ein geläufiges Phänomen ist.
Männer wussten schon damals nicht nur, was ein Plate ist, sondern hatten bereits eine distinguierte Vorstellung von Wohnstil. Die besten Voraussetzungen, um bei der Einrichtung einer gemeinsamen Wohnung endlich auf Augenhöhe miteinander kommunizieren zu können. Theoretisch. Denn das wiederum setzt voraus, dass sich Mann und Frau in den grundlegenden Fragen tatsächlich einig sind. Ein naheliegender Verdacht, bedenkt man die mehr als zwei Jahrzehnte Vorlaufzeit, die die Männerwelt offensichtlich hatte, um sich auf Diskussionen um die perfekte farbliche Abstimmung von Wandfarbe, Sofa und dazugehörigen Kissen vorzubereiten.
Hygge ist für alle da
Selbst wenn die Männer dazu fähig sind – und alle Anzeichen deuten nun einmal darauf hin –, bleibt immer noch die Frage: Sind sich Männer und Frauen deshalb auch automatisch häufiger einig bei der gemeinsamen Einrichtung? Ja. Und Nein.
Ja, weil das erwachte männliche Bewusstsein für das Wohnen natürlich und folgerichtig für eine Auseinandersetzung mit Design und Stil führt. Macht es also wahrscheinlicher, in diesen Punkten auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Wenn beide nicht nur wissen, dass „Hygge“ eben kein Haferbrei aus der IKEA-Kantine ist (weil der Begriff nämlich sowieso aus dem dänischen stammt, aber wer will schon so penibel sein?), sondern nicht weniger als die Einrichtung gewordene skandinavische Gemütlichkeit und überhaupt pures Glück, wie es die Älteren noch aus den Astrid Lindgren-Verfilmungen kennen. Nicht unbedingt aus Pippi Langstrumpf vielleicht, aber die Bilder von rot gestrichenen Holzhäusern mit weißen Fensterrahmen und noch mehr Holz und Schlichtheit im Inneren dürften wohl den meisten jetzt vor dem inneren Auge vorbeiziehen.
Zugegeben, in der Realität mag die Hyggeligkeit dann letzten Endes doch weniger nach einem individuellen Ausdruck der Persönlichkeit, als eher nach einem Katalog-Ausschnitt des schwedischen Möbelherstellers aussehen. Das passiert selbst in den besten Beziehungen der ambitioniertesten Pärchen und im Grunde muss sich deswegen niemand schämen.
Im Gegenteil und damit wären wir beim „Nein“ zur Frage nach den häufigeren Übereinstimmungen bei der Einrichtung der gemeinsamen Wohnung. Denn, machen wir uns nichts vor, im Grunde sind doch die schwedischen Möbel mit den teils absurden Namen das, worauf sich Männer und Frauen am ehesten einigen können. Quasi die Unisex-Lösung für eine möglicherweise ansonsten schwierige Angelegenheit mit geschlechtsspezifischen Geschmacksverirrungen. Bei allem anderen wird es dann nämlich möglicherweise doch heikel.
Das ist nicht mehr meine Wohnung!
Weil – Achtung, Klischee-Warnung! – es eben doch den einen oder anderen Unterschied zwischen Männern und Frauen gibt, der sich bisweilen auch in Einrichtungsfragen offenbart. Oder glaubt ihr wirklich, eine begehbarer Schuhschrank ist das, wovon alle Männer träumen? Manche, ja. Ist aber auch nicht jeder Kerl ein Fashion-Victim wie Jerome Boateng und knallt sich die Bude mit mehr als 600 Paar Sneakers zu. Umgekehrt hält sicher ein nicht unbeträchtlicher Teil der Damen die heißgeliebte Spielkonsole des Partners für ein verzichtbares Stück Einrichtung (vom dazugehörigen Equipment ganz zu schweigen).
Wir hatten euch gewarnt, dass das ganze Thema am Ende doch nicht ohne die große Vorurteilskeule auskommen wird, aber die Wahrheit ist doch: Es ist nichts Verwerfliches daran, wenn Frauen bei der Gestaltung der gemeinsamen Wohnung andere Schwerpunkte haben als die Männer. Funktionieren Beziehungen nicht üblicherweise genauso? Als ein fortlaufendes Suchen und Finden von Kompromissen, mit denen sich beide Parteien zufriedengeben können. Bei denen niemand das Gefühl haben muss, sich selbst aufgegeben zu haben.
Da bleibt trotzdem noch genug Raum, um sich wegen irgendwas zu zoffen. Ein paar Beispiele gefällig? Abgesehen von Schuhen und Spielkonsolen?
„Der Teppich hat das Zimmer erst richtig gemütlich gemacht!“
Die Unterschiede fangen bei grundsätzlichen Dingen an:
- Typisch Mann: Quadratisch, praktisch, gut.
Ganz dem Stereotyp des männlichen Pragmatikers folgend, sind Männer besonders an Funktionalität interessiert, vom Sofa bis zum Esstisch. Alles sollte da sein, aber nur gerade so viel, wie wirklich notwendig ist. Vielleicht mal abgesehen von der technischen Ausstattung, die darf dann schon ein Highlight sein. Oder ein außerordentlich schicker Teppich, der bekanntermaßen in besonderer Weise für Gemütlichkeit sorgt.
- Typisch Frau: Home is where the aaawww is.
Etwas anders liegt der Fokus bei den Frauen. Die wären sich zwar auch nicht prinzipiell gegen eine gewisse Sachlichkeit – warum sonst wäre der Skandi-Chic so erfolgreich geworden? Dabei belassen können sie es dann aber wiederum nicht. Das Zuhause soll schließlich schön sein, was dann gleichzeitig auch das übergreifende Motto ist.
Was die Männer als schlichte Eleganz verkaufen möchten, ist für die Damen nämlich häufig vor allem kühl und leer. Was nicht zwingend ein Problem ist, weil diese Leere wie dafür gemacht ist, mit den schönen Dingen des Lebens gefüllt zu werden. Das betrifft nicht nur die Möbel, sondern auch die Details: Heimtextilien spielen dabei eine ebenso große Rolle, wie eine atmosphärische Lichtgestaltung, bei der sich auch gerne kreativ ausgetobt werden kann, oder das, was Männer so gerne als „Staubfänger“ bezeichnen – also Dekokram.
Was hier so furchtbar nach Klischee klingt, ist übrigens durch eine Umfrage erwiesen. Der Verband der Deutschen Möbelindustrie (VDM) hat im vergangenen Jahr das renommierte Institut für Demoskopie Allensbach mit einer Studie zum „Wohnen in Deutschland“ beauftragt, die die beschriebenen Unterschiede in Zahlen fasst.
Und die zeichnen letztlich doch wieder das vertraute Bild: Frauen sind die treibenden Kräfte hinter der Gestaltung der Wohnungseinrichtung, die durchaus eine andauernde Beschäftigung sein kann. Dekoration als fortlaufender Prozess, sozusagen. Männer sehen meistens schon den Sinn der ersten Ausstattung mit dekorativen Elementen nicht, entsprechend groß ist ihre Begeisterung für weitere Maßnahmen, die das gewohnte Umfeld in irgendeiner Form verändern könnten.
Unsichere Paare könnten das unter Umständen missverstehen und die nach wie vor gültigen Unterschiede als unüberbrückbare Hindernisse für ein gemeinsames Wohnprojekt betrachten. Lebt sich ja auch alleine nicht schlecht, mögen manche jetzt argumentieren wollen und liegen damit vermutlich nicht einmal falsch. Wer hat es früher denn nicht genossen, die Bude mal ungestört für sich zu haben?
Die Frage ist doch aber, ob das Tanzen durch die Wohnung nicht auch irgendwann eine einsame Angelegenheit wird, wenn ein Tanzpartner fehlt. Und in Zeiten von Netflix und Co. noch über das Fernsehprogramm zu streiten – ist das noch zeitgemäß? Abgesehen davon gibt es doch so viele Dinge, die es sich lohnt, mit dem Partner teilen zu können – vom Pupsen mal abgesehen, das ist eher grenzwertig – und das geht doch am besten, wenn man zusammenwohnt. Mit Partner in den eigenen vier Wänden, das macht alles gleich noch viel wohnlicher.