St.Pauli & Corona: Auf der Reeperbahn Nachts um halb Quarantäne
Auf der Reeperbahn nachts um halb eins … war zumindest immer was los, egal welcher Wochentag es bisher war. Der Kiez schläft nie. Das Rotlicht-Milieu hatte immer etwas zu bieten: eine Jukebox, ein Imbiss oder eine Frau waren zugänglich zu jeder Tages- und Nachtzeit. Doch auch hier herrscht plötzlich Stille.
Julia Schwendner, Fotografin aus Hamburg, wagte sich Freitag Abend mit ihrer Kamera auf die Reeperbahn. Dort, wo sonst das Wochenende tausende von Menschen dirigiert, die sich auf allen Ebenen vergnügen, herrscht absolute Stille. Beliebte Plätze und berühmte Straßen wie der Hans-Albers-Platz, die Herbertstraße und die große Freiheit sind ihre Motive. Bilder, die einer der momentan meist genutzten Worte „leergefegt” mit Inhalt füllen.
Was hier als Leere beschrieben wird, ist definitiv nicht inhaltslos: Julia fängt historische Momente ein und erzählt damit die Geschichte von vielen Menschen, die von dem Ausmaß der Krise betroffen sind. Clubbetreiber, Party-Veranstalter, Konzert-Booker, Tresenkräfte, Tänzer, DJs, Prostituierte und selbst Bettler und Flaschensammler: Sie sind alle notwendig, um die Reeperbahn und St.Pauli zu dem einmaligen Ort zu machen, der er ist. Der Ort voller Leichtigkeit, Abenteuer, Sünden und auch Seemanns-Nostalgie. Der Ort, der für viele ein ganz besonderes Zuhause ist.
Der letzte macht das Licht aus — so heißt die Fotoserie von Julia, auch bekannt als ThisIsJulia Photography. Normalerweise dürfen keine Frauen durch die Herbertstraße laufen, sie ist nur den männlichen Passanten vorbehalten. Die sogenannte ‘Hurengasse’ duldet nämlich nur männliche Kundschaft. Ganz offiziell und legal dürfen natürlich Frauen die öffentliche Straße, die die Herbertstraße nun mal ist, betreten, aber es ist allgemeingültig verbreitet, dass jeder Versuch von den Rotlicht-Menschen (Prostituierte, Zuhälter, Freier, etc.) mit Worten und manchmal sogar faulen Eiern bestraft wird.
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In diesem Fall spielt das keine Rolle, denn nur leere Stühle und fremde Stille begleiten Julias Tour durch die 60 Meter lange Straße. Kneipen und Etablissements, die selbst an heiligen Feiertagen geöffnet sind, haben jetzt ihre Türen schließen müssen. Selbst der berühmte Elbschlosskeller musste seinen Betrieb einstellen. Die Bilder lassen uns wieder mal feststellen, wie wichtig doch St.Pauli und die Reeperbahn für Hamburg sind. Auch wenn die meisten Einwohner den Kiez am Wochenende vermeiden, wollen wir ihn auch nicht missen.