Ein Zuckerwatten-Smoothie zum Frühstück, eine kunterbunte Nachbarschaft aus Drag Queens und anderen Paradiesvögeln sowie Fast Food, das sich (wieder) gern hat — das sind mitunter die leicht skurrilen Highlights aus Taylor Swifts’ Video zu ihrer neuen Single You Need To Calm Down. Passend zum Pride-Monat haut die US-Popsängerin damit eine musikalische LGBT-Hommage gegen Homophobie heraus. Super Idee und tolle Geste. Absolut! Nur an der recht klischeehaften Umsetzung hapert es noch ein klein wenig …

Versteht mich bitte nicht falsch: Taylor Swifts’ neuer Song You Need To Calm Down hat definitiv was. Er ist catchy und disst mit einem gelungen ironischen Songtext die Homophobie-Vertreter. Auch das Video ist produktionstechnisch erste Sahne, kunterbunt und vollgepackt mit Celebrity-Gastauftritten. Aber, liebe Taylor, irgendwie ist das Ganze ein wenig zu pink, überzuckert und geschminkt — kurzum: Ein bisschen weniger Klischee und Gebrauch von Stereotypen hätte der Pro-LGBT-Kampagne vielleicht besser getan. Aber schau es dir doch erst mal selbst an …

Taylor Swift lädt zur LGBTee-Party ein

Was beim Video direkt ins Auge springt, ist das Farbenspektakel, das sich nicht nur auf die Requisiten und Umgebung beschränkt, sondern auch auf die Personen darin. Jede Menge Stars, überwiegend öffentlich bekennende Schwule und Lesben, die den Eindruck erwecken, als seien sie gerade vom Holi Festival gekommen.

Und dann beginnt die Paradiesvogel-Parade: Blogger Chester Lockhart zeigt mit Lipgloss, pinker Strähne im platinblonden Haar und rosa Outfit, wie schön er ohnmächtig werden kann; Comedienne Hannah Hart trainiert ganz Macho-like ihren Bizeps mit einem Ghettoblaster — wie Lesben das halt so machen; Ru Paul stolziert pompös wie die Queen of f*cking everything in Highheels durch die Szenerie; und neben den Fab Five von Queer Eye treten unter anderem noch einige weitere Drag-Queen-Verschnitte, manche als Gay-Ikonen wie Lady Gaga, Beyoncé oder Ariana Grande verkleidet, sowie eine Bogen schießende Hayley Kiyoko auf. Die Message ist klar zu verstehen: Stop hating, celebrate diversity and equality!

Ein bisschen weniger Klischee, bitte!

Aber nun stelle ich mir die Frage: Ist das tatsächlich eine gerechtfertigte Darstellung der LGBT-Community? Ist jeder Homosexuelle gleich ein rosaroter, geschminkter und feminisierter Stereotyp? Und ist jede Lesbe gleich der maskuline Machotyp? Kann man uns Gays wirklich als so klischeehaft darstellen und verallgemeinern? Die Antwort ist ganz klar: Nein! Das ist Schubladendenken. Und vor allem ist es mittlerweile einfach nur noch langweilig. Jedoch liegt die Vermutung nahe, dass Taylor Swift genau das beabsichtigt. Ironie und Sarkasmus. Alles andere wäre für einen einflussreichen Popstar ihres Kalibers einfach nur ein Armutszeugnis.

In You Need To Calm Down werden offenbar stereotypische Darstellungen von Schwulen und Lesben ganz bewusst auf die Schippe genommen. Da steckt Satire und Humor hinter — trotz und aller dem aber irgendwie auf Kosten der Gays. Denn nicht jeder ist unbedingt mit dieser Art der Darstellung d’accord. Klar, die Drag Queens gehören zu unserer LGBT-Community dazu, wie der Torwart zum Fußball. Aber man sollte dann auch nicht vergessen, dass ein Fußballfeld nicht nur vom Torwart besetzt ist, sondern auch noch andere Spieler mitspielen. Ein bisschen mehr Realitätsnähe und Vielseitigkeit wäre da ganz nice gewesen. Dem hingegen aber mal als kleiner Insider: Die Gays sind oftmals leider selbst die größten Homophoben. „Heterolike, bitte!”, steht dort auf der Prio-Liste ganz oben. Taylor und ihre bunte Teeparty kontern dem jedoch ganz klar mit einem „Heterolike? Deine Mutter ist heterolike!”

Star-Auflauf für LGBT-Solidarität

Das Video hat aber definitiv auch seine sehr gut gelungenen Momente. Vor allem die Anti-Gay-Protestanten im typisch amerikanischen Landei-Stil werden hier ordentlich auf die Schippe genommen: Protest-Schilder mit falscher Rechtschreibung wie „Get a brain, morans (anstatt morons)!” (Legt euch ein Gehirn zu, Idioten) zeigen hier den geistigen Horizont der Anti-LGBT-Demonstranten. Nämlich dumm wie Stroh, das in den Scheunen von Kansas liegt. Der Diss geht also direkt an die Hater — sowohl an die der Gays als auch an Taylors eigene Kritiker.

Jemanden öffentlich zu verachten, macht einen nicht weniger Gay — diese Zeile ist wohl die Quintessenz des Songs. Swift ruft zu Solidarität auf, zu Gleichstellung und Akzeptanz des Andersseins. Denn die Farbpalette unserer Welt ist nicht nur schwarzweiß, sondern sehr bunt und vielseitig. Dazu holt sich Swift auch einige hochkarätige Stars ins Boot, die einen Gastauftritt im Video haben. Die meisten davon, wie beispielsweise Sänger Adam Lambert, Modern Family Darsteller Jesse Tyler Ferguson, Transgender-Schauspielerin Laverne Cox aus Orange is the New Black, Schauspieler und Sänger Billy Porter oder Talkshow-Legende Ellen DeGeneres, sind öffentlich bekennende Homosexuelle. DeGeneres ist eher selten in solchen Kollaborationen abseits ihrer Show zu sehen. Aber sie unterstützt Swift bei ihrem musikalischen Appell an die Hater, denn sie selbst wurde nach ihrem öffentlichen Comingout 1997 Opfer davon: Freunde, Kollegen und das Showbusiness wandten sich von ihr ab und sie war drei Jahre arbeitslos — weil sie sich als Lesbe outete.

Aber auch heterosexuelle Stars wie Ciara, Ryan Reynolds und Katy Perry sind im Video zu sehen. Letztere hat sogar einen ganz besonderen Auftritt im Video: Als Hamburger verkleidet schließt sie ganz offiziell Frieden mit Taylor Swift, die als Pommes verkleidet ist — inklusive Umarmung. Die beiden hatten in der Vergangenheit ein wenig Beef, der nun ganz offensichtlich begraben wurde. Friede, Freude, Zuckerwatte … äh … Fast Food halt.

„Hört auf zu diskriminieren und kommt mal runter!”

Die Unterstützung von LGBT- und Hetero-Stars zeugt von großer Solidarität — denn sie alle haben sowohl die Stimme als auch die Autorität dazu. Millionen von Fans richten ihre Aufmerksamkeit auf sie, verfolgen ihre Aktivitäten Tag für Tag und hören auf das, was sie zu sagen haben. In Taylor Swifts’ Video lautet die Botschaft: „Hört auf zu diskriminieren und kommt mal runter!” Auch wenn ich persönlich eine LGBT-Hommage wie die von Ben Platt bevorzuge, in der es kein Hochaufgebot an Klischees gibt, ist Taylor Swifts’ Song und Video eine absolut süße und wohlgemeinte Geste. Aber sie als heterosexuelle Frau hat nun mal eine andere Perspektive als ein homosexueller Mann wie Ben Platt … oder ich selbst. Es gibt halt unterschiedliche künstlerische und persönliche Herangehensweisen an dieses Thema. Und jeder Geschmack ist eben auch anders. Was am Ende zählt, ist, dass wir einander respektieren und miteinander anstatt gegeneinander durchs Leben gehen.

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