Was ist Heimat? Die Beantwortung dieser Frage treibt nicht nur die Deutschen seit einigen Jahren um. In den Medien ist das Thema ein Dauerbrenner und spätestens mit der Flüchtlingskrise werden wir alle damit konfrontiert. Ist Heimat ein eher altertümlicher Begriff aus der Heimatfilm-Ära oder ist das Thema vielleicht aktueller denn je? Ein so genannter digitaler Nomade nähert sich dem Heimat-Begriff auf seine Weise.

Mein Name ist Thorsten Kolsch und ich bin seit etwa fünf Jahren ein digitaler Nomade. Was das ist, kannst du hier oder hier nachlesen. Aber um es kurz zu machen: Ein digitaler Nomade hat sich dazu entschieden, sein Leben und seine Arbeit ortsunabhängig zu verbringen bzw. zu verrichten. Ich habe also keinen festen Wohnsitz, auch wenn das in Deutschland per Meldegesetz ausgeschlossen ist. Ich bin natürlich irgendwo gemeldet, um mir alle paar Jahre meine Wahlunterlagen abzuholen — that’s it. Zugegeben, ich bin ein Exot in der Hinsicht und behaupte auch nicht, eine repräsentative Version des Heimatbegriffs vorlegen zu können. Daher stelle ich mir zunächst die folgende Frage:

Was ist Heimat für mich?

Lange Zeit war die Definition von Heimat ziemlich eindeutig: Heimat ist dort, wo man geboren und aufgewachsen war. So eindeutig sehe ich diesen Begriff nicht mehr. Natürlich ist nicht überall dort, wo ich wohne, und das kann alle paar Monate woanders sein, sofort meine neue Heimat. Heimat ist eher ein intensives Gefühl, zu dem es erst einmal kommen muss. Meine Geburtsgegend, das Ruhrgebiet, ist natürlich meine Heimat, aber auch Hamburg, wo ich 15 Jahre gelebt habe. Inzwischen mag auch Budapest und Teneriffa dazugekommen sein. Ich möchte mich nicht festlegen. Heimat ist individuell und nicht zu verordnen. Es ist vielmehr ein Ort, an dem man sich nicht rechtfertigen muss, dass man da ist, wie es der Soziologe Armin Nassehi einmal treffend formulierte. In der ARD-Doku Heimatland wurde am Montagabend gefragt, ob es möglich sei, das Alte zu bewahren und das Neue willkommen zu heißen. Eine Frage, die offenkundig an ein gespaltenes Land gerichtet ist.

Heimat ist in erster Linie ein Gefühl

Die Antwort kann aus meiner Sicht nur wie folgt lauten: Heimat ist ein Gefühl und kann niemandem abgesprochen werden. Weder dem Migranten, der in Köln-Widdersdorf eine neue Heimat sucht, noch dem alteingesessenen Dorfbewohner, der das Vertraute bewahren möchte, noch dem mobilen Kosmopoliten, der sich aufgrund seiner Lebensweise an vielen Orten schnell heimisch fühlt. Oder um es mit dem britischen Publizisten David Goodhart zu sagen: In Teilen schon jetzt und erst recht in der Zukunft werden wir nur noch zwischen den „Anywheres” und den „Somewheres” unterscheiden. Während die Anywheres die mobilen Angestellten und Remote Worker sind und theoretisch und praktisch überall leben und arbeiten können, haben sich die Somewheres aus vielen Gründen für eine eindeutige und langfristige Heimat entschieden. Allerdings hat diese Unterscheidung einen kleinen Haken. Danach gibt es nämlich auch die Inbetweens, also die dazwischen anzusiedeln sind. Gefühle kann man eben doch nicht so leicht kategorisieren.

Warum muss Heimat neu definiert werden?

Der Heimatbegriff boomte immer schon in Zeiten der Neuordnung. Das war zur Industrialisierung so, nach dem Zweiten Weltkrieg und zuletzt 2010, mit der zunehmenden Globalisierung und Digitalisierung. Der höchste Wert jedoch wurde 2015 gemessen, als Menschen im Nahen Osten ihre Heimat verlassen mussten, um zumindest vorübergehend eine neue in Deutschland zu finden. Gleichzeitig fragten sich viele Deutsche, was aus ihrer eigenen Heimat denn werden würde, wenn so viele Fremde in ihr Land kommen. Aus meiner Sicht kann es nur eine Antwort geben: Geht aufeinander zu. Denn jeder Mensch, ob er es sich eingesteht oder nicht, sucht nach einem Stück Heimat im Sinne von Geborgenheit. Und deswegen muss Heimat neu definiert werden. Heimat ist nicht mehr das alte, schnöde Altherren-Gedöns, aus einer Zeit als noch Häkeldeckchen auf dem hölzernen Farbfernseher lagen. Heimat ist heute ein Anker im Alltag unzähliger Individuen. Nichts verwerfliches. Ja, Heimat ist konservativ, zu deutsch bewahrend, aber akzeptiert auch den Schutz und die Schutzsuche anderer. Und viel wichtiger: Es gibt nicht mehr die eine Heimat.

Heimat gibt es auch im Plural

Gefühlt werden aktuell diejenigen lauter, denen die Entwicklung einer globalisierten Welt nicht passt, die die Pluralität der Gesellschaft in Frage stellen oder gar ablehnen. Doch ist es ausgerechnet der gute alte deutsche Duden, der das ursprünglich im Singular definierte Wort Heimat inzwischen auch im Plural ausgibt. Es gibt sie also, die Heimaten. Auch ein Blick über den großen Teich bzw. über den Kanal lohnt sich. Denn im Englischen wird gar nicht erst unterschieden zwischen „Zuhause” und „Heimat”. Es ist schlicht „Home”.

Oder um es (wenn auch verdammt pathetisch) auf den Punkt zu bringen: „Home is where your heart is.”

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