Insolvenzverfahren von Nord Stream 2 – Aktuelle Entwicklungen

Insolvenzverfahren von Nord Stream 2 – Aktuelle Entwicklungen
Bildquelle: WikiMedia

Die Pipeline Nord Stream 2 (Kosten rund 10 Mrd. €) wurde zwar fertiggestellt, ging aber nie in Betrieb​. Nach Russlands Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 legte die deutsche Regierung die Zertifizierung auf Eis. Im September 2022 beschädigten Sabotageanschläge einen der beiden Stränge von Nord Stream 2 sowie beide Röhren von Nord Stream 1​. Durch Krieg und Sanktionen brach das Geschäftsmodell weg – Nord Stream 2 AG (eine Gazprom-Tochter) blieb auf enormen Schulden sitzen und entließ fast alle Mitarbeitenden​. Bereits 2022 suchte die Firma Gläubigerschutz in der Schweiz; das Zuger Kantonsgericht gewährte Anfang Januar 2023 eine Nachlassstundung (vergleichbar mit einem Insolvenzverfahren), die seitdem mehrfach verlängert wurde.

Verlauf des Insolvenzverfahrens in der Schweiz

Das Schweizer Verfahren (Nachlassverfahren) sollte einen Konkurs abwenden. Die definitive Nachlassstundung trat am 10. Januar 2023 in Kraft und wurde seither immer wieder verlängert​. Rechtlich sind maximal 24 Monate Stundung üblich, was am 10. Januar 2025 erreicht war. Dennoch hat das Kantonsgericht Zug am 9. Januar 2025 überraschend eine letzte Frist bis zum 9. Mai 2025 gewährt​. Diese Gnadenfrist wurde „ausnahmsweise“ über die gesetzliche Grenze hinaus eingeräumt, da ein sofortiger Konkurs als nachteilig für alle Beteiligten gilt. Laut Gerichtsentscheidung würde ein sofortiger Konkurs kleine Gläubiger in Existenznot bringen und großen Gläubigern hohe Verluste bescheren. Eine befristete Verlängerung solle dagegen ermöglichen, Kleingläubiger voll auszuzahlen und größere Forderungen ggf. durch Verkauf der Pipeline oder Umstrukturierung besser zu bedienen.

Jüngste Gerichtsentscheidung: Letzte Frist und Auflagen

Die Verlängerung bis Mai 2025 ist an strikte Bedingungen geknüpft. Innerhalb von 60 Tagen (bis zum 10. März 2025) muss Nord Stream 2 AG sämtliche Kleingläubiger vollständig auszahlen und dem Gericht Belege vorlegen​. Andernfalls werde ohne weitere Nachfrist der Konkurs eröffnet​. Diese Auflage verschafft Dutzenden kleineren Zulieferern einen Hoffnungsschimmer, da viele seit 2022 auf Zahlungen warten und teils selbst vor der Insolvenz stehen​. Einige dieser Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe reisten zur Gerichtsverhandlung im Dezember 2024 an und schilderten dem Richter ihre prekäre Lage​. Die außerordentliche Frist soll sicherstellen, dass diese Kleingläubiger nicht leer ausgehen. Das Gericht hatte zuvor betont, eigentlich keinen rechtlichen Spielraum für weitere Verlängerungen zu haben​, entschied sich aber aufgrund der besonderen Umstände zu diesem Schritt.

Gläubigerstruktur und Restrukturierungsplan

Nord Stream 2 AG verhandelt mit ihren Gläubigern über einen Nachlassvertrag (Schuldenschnittplan). Die größten Gläubiger sind fünf europäische Energiefirmen – Engie, OMV, Shell, Uniper und Wintershall Dea – die jeweils bis zu 950 Mio. € zur Pipeline finanziert hatten, sowie Mutterkonzern Gazprom​. Im Rahmen des geplanten Vergleichs müssten diese Großgläubiger auf einen Großteil ihrer Forderungen verzichten​. Vorgesehen ist offenbar, dass jeder der fünf Partner zunächst nur rund 11 Mio. CHF erhält und ggf. anteilig vom Erlös profitiert, falls Pipeline-Vermögenswerte verkauft werden​. Im November 2024 legte der gerichtlich eingesetzte Sachwalter (Transliq AG) einen solchen Vertrag vor, doch anfangs verweigerten zwei der Großgläubiger ihre Zustimmung​. Das erforderliche Quorum war damit nicht erreicht, weshalb die Einigung bislang ausblieb. Der Sachwalter zeigte sich jedoch zuversichtlich, die nötigen Zustimmungen doch noch zu erhalten​. Gazprom und die übrigen Geldgeber unterstützten die Fristverlängerung, da ein sofortiger Konkurs den Pipelinewert drastisch mindern würde​. Bei einem Konkurs müssten alle Gläubiger erhebliche Abschreibungen hinnehmen, während ein geregelter Vergleich zumindest Teilzahlungen oder Verwertungserlöse in Aussicht stellt​.

Politische und wirtschaftliche Auswirkungen

Politisch gilt Nord Stream 2 mittlerweile als gescheitert. Die deutsche Bundesregierung betont, dass eine Abhängigkeit von russischem Gas nicht mehr in Frage kommt​. Eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums stellte klar, russisches Gas sei für Deutschland „kein Thema mehr“​. Entsprechend gibt es keine Pläne, die bereits teilbeschädigte Pipeline jemals in Betrieb zu nehmen – sie ist bis heute nicht zertifiziert und durch die Sabotage weiterhin außer Funktion​. Auch andere europäische Länder lehnen eine Wiederbelebung ab; Estlands Außenminister etwa erklärte, der richtige Platz für Nord Stream 2 sei auf dem Meeresgrund. Infolge des Ukraine-Kriegs diversifizierte Europa seine Gasversorgung rasch, z.B. mit Lieferungen aus Norwegen und per LNG​, wodurch die strategische Bedeutung von Nord Stream 2 weiter gesunken ist.

Wirtschaftlich hatte das Projekt weitreichende Folgen: Die beteiligten westeuropäischen Unternehmen mussten ihre Milliardeninvestitionen größtenteils abschreiben. Kleine Zulieferfirmen (etwa für Bau, Technik und Logistik) gerieten durch ausbleibende Zahlungen in Bedrängnis​. Einige drohten ohne Vergütung aus dem Verfahren selbst Konkurs anmelden zu müssen​. Für diese Firmen ist die nun erzwungene vollständige Begleichung ihrer Rechnungen bis März 2025 essentiell zum Überleben. Gazprom als Eigentümerin der Pipeline trägt den Hauptverlust, da das 9,5 Mrd.-€-Infrastrukturprojekt bislang keinerlei Erträge erwirtschaftete. Gleichzeitig haben die Pipeline-Sabotage und das Aus von Nord Stream 2 die Gaslieferungen aus Russland nach Europa auf absehbare Zeit minimiert. Europa kompensierte dies durch alternative Bezugsquellen, was zwar höhere Kosten verursachte, aber die Energiesicherheit aus geopolitischer Sicht erhöht hat​.

Ausblick

Die nächsten Wochen entscheiden über das Schicksal von Nord Stream 2. Gelingt es der Nord Stream 2 AG, alle kleineren Gläubiger fristgerecht auszuzahlen und ausreichend Großgläubiger zum Mitziehen zu bewegen, könnte das Insolvenzverfahren in geordneter Form (per Nachlassvertrag) abgeschlossen werden. In diesem Fall würden die Gläubiger zwar auf den Großteil ihrer Forderungen verzichten, aber zumindest eine geringe Quote und eventuelle Erlöse aus einer Verwertung der Pipeline erhalten​. Kommt die Einigung nicht zustande oder wird die Zahlungsauflage nicht erfüllt, steht die Eröffnung des Konkurses unmittelbar bevor​. Dann dürfte die Pipeline selbst zum Spekulationsobjekt werden – ein Verkauf oder die Verschrottung wären die letzten Optionen, um überhaupt noch Gelder für Gläubiger zu erzielen. Angesichts der klaren politischen Ablehnung einer Reaktivierung bleibt jedoch fraglich, ob sich ein Käufer für die ungenutzten Pipeline-Stränge findet. Die Insolvenz von Nord Stream 2 ist somit nicht nur ein juristisches Verfahren, sondern auch ein Symbol für die tiefgreifenden energiepolitischen Veränderungen infolge des Ukraine-Kriegs. Denn unabhängig vom Ausgang des Verfahrens scheint klar: Durch diese Pipeline wird auf absehbare Zeit kein Gas mehr fließen​.

Quellen: Offizielle Mitteilungen des Kantonsgerichts Zug (via SHAB), Presseberichte (u.a. dpa, Reuters, Watson/Zentralplus) und Äußerungen von Regierungsstellen​.

Read more

Lochblech? Stilvoller als du denkst – 5 Interior-Trends mit Industrial-Vibes

Lochblech? Stilvoller als du denkst – 5 Interior-Trends mit Industrial-Vibes

Lochblech – klingt erstmal nach Baustelle, Werkhalle oder Maschinenbau. Doch wer glaubt, dass perforiertes Metall nur in der Industrie seinen Platz hat, sollte unbedingt weiterlesen. Denn Lochbleche haben längst den Weg in moderne Wohnwelten gefunden – als stylisches Design-Element, das Funktionalität und Ästhetik perfekt verbindet. Besonders im angesagten Industrial-Stil sind sie kaum

By 2GLORY Redaktion