Für viele gehört Instagram mittlerweile zum Alltag. In Deutschland rufen 6 Millionen Nutzer die Social Media-App täglich auf. Ob im Beruf- oder Privatleben, viele Nutzer verfolgen damit die (vermeintlich) relevanten Dinge unserer Lieblingsstars, Marken, Influencer und Freunde. Doch wie wirkt sich ein spontaner Social Media Entzug von Instagram auf die persönliche Einstellung gegenüber der Plattform und ihr Suchtpotential aus?
Zusammen mit ein paar Freunden bin ich eine Wette eingegangen. Die Frage konkret: Wie lange halten wir es ohne Instagram aus? Die Idee ganz simpel: Jeder hat einen Zehner in den Pott geworfen und derjenige, der am längsten durchhält, bekommt das Geld. Schon allein die Entscheidung einzusteigen, war für einige von uns eine riesige Überwindung. „Aber ich wollte doch gerade noch eine Story hochladen“, meinte meine Cousine. Um sie zu pushen, entgegnete ich: „Aber wofür? Damit deine Follower sehen, was du machst, was sie in drei Sekunden eh wieder vergessen haben?“ Sie knickte ein und zog mit.
Was bringt mir Instagram?
Auf Instagram verspüren viele den Drang, sich mitzuteilen und sich selbst darzustellen. Aber wer interessiert sich tatsächlich dafür? Und welchen Mehrwert bringt es mir, wenn ich der selbstgemachten Himbeer-Sahne-Torte meiner alten Arbeitskollegin auf Instagram folge?
Diese Frage stellen sich vermutlich viele und trotzdem verspürt man den Drang „am Ball zu bleiben“. Instagram löschen? Unmöglich! Auch ich nutze es täglich und oft unbewusst. Bewusst hinterfrage ich dagegen immer häufiger meinen Konsum. Zeit ist heutzutage das neue Statussymbol und ich habe das Gefühl, meine auf Instagram oftmals zu verschwenden. Ich möchte mich wieder etwas mehr auf die realen und weniger digitalen Dinge fokussieren und ein Konzert von Anfang bis Ende genießen, ohne das schöne Gefühl der Musik für die perfekte Insta-Story zu unterbrechen. Mit dieser Motivation bin ich in den Selbstversuch gestartet.
Instagram gelöscht — und nun?
Es brauchte ein wenig Zeit sich von dem Gedanken zu verabschieden, nicht alles „Schöne“, „Coole“, „Tolle“ auf Instagram zu posten und ich war kurz davor, mein Facebook-Account als Alternative wieder aufleben zu lassen. Eine Entzugserscheinung? Man verspürt zu Anfang weiterhin den Drang sich irgendwie mitzuteilen. Und so haben wir im Laufe der Wette auch verschiedene Phasen durchlaufen. Zunächst willensstark und guter Dinge, sich von dem Zwang, Dinge zu checken und zu posten zu befreien, über kurze Panik und Kompensationsmechanismen wie Handy-Spiele, Online-Shopping oder dem Whatsapp-Status bis hin zum Ausscheiden aus der Wette (Zwei sind mittlerweile in die Instagram-Blase zurückgekehrt).
Ist ein Entzug also hinfällig? Nein, auf keinen Fall! So viel sei gesagt: Es ist auf jeden Fall gewöhnungsbedürftig. Nach mittlerweile knapp zwei Wochen bin ich schließlich an dem Punkt, an dem mein Mitteilungsbedürfnis auf ein Minimum gesunken ist. Also alles eine Frage der Zeit, denn der Mensch ist ein Gewohnheitstier.
„Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß”
Die Stories und Posts anderer Nutzer nicht mehr verfolgen zu können, störte mich dagegen überraschenderweise von Anfang an nicht. Das hätte ich nicht gedacht. Ich hatte vermutet, dass sich ein Gefühl von „ich verpasse etwas“ einstellt, aber nada. Der Entzug entwickelte sich in dem Fall getreu dem Motto „aus den Augen, aus dem Sinn“. Ein beruhigendes Gefühl zu wissen, dass man sich dem ganzen Social-Media-Wahn also ohne schwerwiegende Entzugserscheinungen entziehen kann.
Dennoch weiß ich, dass ich mein Konto irgendwann wieder aktivieren werde. Da bin ich ehrlich. Instagram macht halt auch Spaß! Aber vielleicht sollte man sich ab und zu eine bewusste Social-Media-Pause gönnen, um sich wieder mehr mit Dingen zu beschäftigen, die man viel zu selten macht oder Momente im Hier und Jetzt genießt. Letztens beim Joggen konnte ich den wunderschönen Ausblick auf den Sonnenuntergang am See genießen, ohne den Gedanken zu haben, diesen Moment auf Instagram zu teilen, was ihn viel intensiver gemacht hat. Der Moment gehörte einfach nur mir und das war gut so.
Ein Leben ohne Instagram ist möglich und schön. Und die Dinge, auf die ich mich dadurch stärker konzentrieren kann, sind nachhaltiger und bereichernder für mich, als die 100. Story auf Instagram. Mit diesem Bewusstsein möchte ich meinen Konsum zukünftig besser kontrollieren und reflektieren, aber jetzt ich will erst einmal die 40 Flocken der Wette einkassieren und meine Instagram-freie-Blase weiterhin genießen.